Mo 24. Dez 2018, 02:58
Ich muss zugeben, dass ich überlegen musste, ob ich eine weitere Antwort hier posten soll. Vielleicht trügt mich mein Eindruck, aber ein derartig pöbliges Verhalten beider Seiten bin ich in diesem Forum nicht gewohnt...
Mir liegt das Thema allerdings sehr am Herzen und deshalb ein ein weiterer Versuch Argumente vorzubringen, warum die Abfotografie von Kunstwerken wichtig ist. Wenn's auch nur einen Leser oder eine
Leserin dazu bringt sich mit dem Thema Open Access auseinanderzusetzen hat der Post sein Ziel erreicht.
Ja nach deutschem Recht hat ein Museum das Hausrecht und darf ohne Angabe von Gründen Regeln verfassen und durchsetzen. Ob das jetzt das Verbot der Fotografie in seinen Räumen oder ein Verbot von nervösem Blinzeln ist, ist da vollkommen egal. Genauso richtig ist, dass eine 1:1 Reproduktionsfotografie durch das Urheberrecht geschützt ist und nicht ohne Genehmigung vervielfältigt werden darf. Das BGH hat das in der Zurückweisung der Revision durch den Beklagten nochmals bestätigt. Hier dürfen jetzt alle mit dem Lesen aufhören, die meinen, dass sich damit das Thema erledigt hat. Ich werde mir aber Mühe geben im nächsten Abschnitt darzulegen, warum das Verhalten einiger Museen, meiner Ansicht nach, problematisch ist.
Literatur, Musik, sowie darstellende und bildende Kunst definieren uns, neben anderen Aspekten, als Gesellschaft und Menschen. So ziemlich alle Mitglieder des Forums haben ein Faible für Bilder. Jeden Tag werden hier im Forum Bilder hochgeladen. Bilder im allgemeinen haben die Kraft Emotionen auszulösen, Geschichten zu erzählen und stellvertretend für ganze Epochen zu stehen. Mit der Beschäftigung mit Bildern, beschäftigen wir uns mit uns selbst, mit unserer Gesellschaft und mit unserer Umwelt. Museen übernehmen dabei die Aufgabe ausgewählte Bilder zu erforschen, zu erhalten, auszustellen und sie untereinander in einen Kontext zu stellen. Der Besucher erhält damit die Möglichkeit sich mit diesen Bildern auseinanderzusetzen. Zur Erfüllung dieser Aufgaben erheben Museen Eintrittspreise, erzielen Einnahmen aus Merchandise- und Katalogverkäufe. Staatliche Museen werden zudem durch Steuermittel unterstützt. Der Staat hat dabei das Interesse die Kunst an so viele Menschen wie möglich heranzutragen, denn die Beschäftigung mit Kunst ist Bildung und Bildung steht jedem Menschen offen. Außerdem spielen Museen eine nicht unerhebliche Rolle in der Kunst und Forschung. Künstler lassen sich von anderen Künstlern und deren Kunstwerke inspirieren, Forscher ergründen die Geschichte einzelner Kunstwerke und Künstler oder erforschen komplexere Themenfelder im künstlerischem Dunstkreis. Das Grundgesetz in Deutschland schützt Kunst, Bildung und Forschung, da es erkennt wie wichtig diese für die Gesellschaft sind. Das deutsche Urheberrechtsgesetz stellt alle Werke 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers gemeinfrei. Dass heißt, dass diese ohne Einschränkung vervielfältigt und verwendet werden können. Im Falle öffentlich finanzierter Museen geht meiner Ansicht nach das Eigentum der Rechte an gemeinfreien Bildern an die Öffentlichkeit. Interessierte Bürger können sich so theoretisch ohne Einschränkung bilden, künstlerisch betätigen und forschen.
Theoretisch deshalb, weil es praktisch doch Einschränkungen gibt. Das Museum muss lokal aufgesucht werden (ich müsste im Zweifelsfall also nach Japan fliegen um ein bestimmtes Bild zu sehen), der Eintrittspreis muss gezahlt werden (kostet manchmal nicht so viel wie Anreise und Unterkunft) und es dürfen in manchen Fällen keine Fotos zur weiteren Verwendung angefertigt werden. Wird ein Foto benötigt, entscheidet alleine das Museum, ob und durch wem es angerfertigt werden darf und wie viel das am Ende kostet. Von einem allgemein freien Zugang ist hier also nicht zu sprechen.
Als praktisches Beispiel für Auswirkungen: In einer kunstgeschichtlichen wissenschaftlichen Publikation werden in aller Regel Abbildungen von Bildern benötigt. Diese Abbildungen findet man derzeit in teuren Bilddatenbanken, sofern das gesuchte Bild fotografiert und bereitgestellt wurde. Für jede einzelne Abbildung müssen zusätzlich die Bildrechte an den Reproduktionsfotografien bei den einzelnen Eigentümern eingeholt werden. Das kostet nicht nur eine Stange Geld (25-250€ pro Abbildung) sondern auch einiges an Zeit für den Forscher und das Museum.
Naheliegend wäre also eine freie Bilddatenbank aufzubauen, die diese Bilder unter der Creative Commons Lizenz bereitstellt. Eine solche Datenbank baut die Wikimedia Foundation auf. Sie bietet jedem Menschen auf der Welt freien Zugang (= Open Access) zu deren Inhalten. So können sich auch sehr arme Menschen mit dem reichen Kulturschatz auseinandersetzen. Wissenschaftler können ohne hohe Kosten Bilder aus einem Zyklus zusammensammeln und vergleichen ohne mehrere Museen in mehreren Ländern besuchen zu müssen. Künstler können schnell und kostenlos Inspirationen sammeln. ABER Museen müssen hier mitspielen. Reproduktionsfotografien in hoher Qualität sind ziemlich teuer. Die komplette Digitalisierung der Ausstellung und Archive (die der Öffentlichkeit komplett verschlossen bleiben, ist aber ein anderes Thema) ist oft eine nicht zu bewältigende Mammutaufgabe. Hier kommen ehrenamtliche Fotografen ins Spiel. Die kosten nix, richten keinen materiellen Schaden an und liefern im schlimmsten Falle eine schlechte Fotografie von einem Exponat, das der Großteil der Menschheit noch nie gesehen hat. Museen könnten also froh sein, dass Freiwillige diese Arbeit für sie erledigen. Sie könnten die Fotos kostenlos für eigene Publikationen und Bilddatenbanken verwenden. Sie könnten auch Besucher diese Fotos zur Verfügung stellen und damit die Belastung durch Blitzlicht vermindern. Das Rijksmuseum in Amsterdam macht damit derzeit sehr gute Erfahrungen.
Leider verschließen sich einige Museen dieser Möglichkeiten. Bisher ist mir weder ein einleuchtendes Gegenargument eingefallen, noch konnte ich eins lesen.
Ein Argument ist, dass Unternehmen Bilder für deren Produkte nutzen, ohne das Museum am Umsatz zu beteiligen. Wie hoch derzeit jedoch die Einnahmen an Produktbeteiligungen und Merchandising ist, wird selten konkret beantwortet. Im Zweifelsfall könnte ein Museum auch eine eigene Datenbank anfertigen und die kommerzielle Weiterverwendung ausschließen. Möglichweise gibt es jedoch die Befürchtung, dass mit der Aufgabe der Bildrechte das Kapital der Museen aufgegeben wird. Möglicherweise wird befürchtet, dass weniger Besucher bereit sind Eintrittspreise zu bezahlen und/oder Kataloge zu kaufen. Hier unterschätzen sich Museen gewaltig! Originale sind nicht mit Fotografien zu vergleichen. Die kuratierte Zusammenstellung bietet dem Besucher einen enormen Mehrwert, vor allem in Verbindung mit gut aufbereiteten Zusatzinformationen. Kataloge ersparen Besucher das mühsame Zusammentragen der Bilder und deren Informationen. Menschen werden auch weiterhin bereit sein Geld für Museen auszugeben. Die Menschen, die es nicht sind, werden auch jetzt kein Geld ausgeben. Am Ende steht also kein Verlust. Im besten Falle locken Museen sogar mehr Besucher an!
Museen werden von großen Teilen der Gesellschaft als langweilig, anachronistisch und altmodisch empfunden. Es gibt viele Möglichkeiten dies zu ändern (siehe Rijksmuseum und British Museum), leider sind viele deutsche Museen aber noch viel zu zaghaft und klagen lieber gegen Einrichtungen, die sich dem Wohle der Menschheit verschrieben haben.
So wer's bis hier geschafft hat:
Vielleicht ist ja der eine oder andere Punkt zum Nachdenken und Diskutieren dabei. Ich würde mich freuen...