Fr 5. Mai 2017, 08:37
Hmmm - Der Einfluss des Menschen auf Tier und Umwelt und wie das geändert werden kann .... ein sehr schwieriges Thema für ein Internetforum.
Ich arbeite in und mit der Landwirtschaft und im Bereich des Wasserschutzes. Ökonomie und Ökologie sind in der Landwirtschaft die täglichen Mit- und Gegenspieler, die es zu berücksichtigen gilt.
klabö hat geschrieben:Heute lief ein Bericht im NDR über den Rückgang der Rebhuhnpopulation wegen der Mais-Monokulturen und der die Insekten vernichtenden Pestizide. Damit fehlt die Nahrung für Jungen. Bei dem Bericht dachte ich mir "solange es noch die Möglichkeit gibt, die Schuld den Beutegereifern wie Füchsen in die Schuhe zu schieben, können die Bauern mit "sauberen" Gewissen weiter die natürlichen Ressourcen schreddern... "
Hier möchte ich aber ganz klar einhaken, denn solche Aussagen sind mir zu einfach!
Ich stimme Dir insofern zu, dass die aktuelle Landwirtschaft höchst intensiv ist, dass eine Vielzahl von Pflanzenbehandlungs- und -schutzmitteln (PBSM) eingesetzt werden und dass diese Mittel verständlicherweise dazu eingesetzt werden, um die landwirtschaftliche Hauptkultur schädigenden Beikräuter und Insekten zu beseitigen. Warum macht der Landwirt das? Weil er sonst die am Markt geforderten Qualitäten nicht erreichen kann und zudem vergleichsweise schlechtere Erträge erntet. Das hat wiederum einen direkten Einfluss auf sein wirtschaftliches Auskommen, sprich seine Existenz.
Wer einen eigenen Gemüsegarten hat, kann sich ja mal fragen, wie viel Zeit fürs Unkrautjäten, Schnecken sammeln etc. genutzt wird und ob es realistisch ist, die Handarbeit der eigenen 100 m² Gemüsegarten auf einen 1.000.000 m² (100 ha) Betrieb umzulegen.
Was mir aber noch wichtiger ist -
vor welchem Hintergrund ist die heute in Deutschland vorherrschende Landwirtschaft entstanden?Da gibt es zwei Hauptursachen:
1.) Die nach dem Krieg und den Jahrzehnten danach seitens der Bevölkerung und daher auch der Politik erhobene Forderung nach ausreichenden Nahrungsmitteln und hoher Qualität.
2.) Die Forderung, dass die Landwirtschaft die Effizienz der Autoindustrie erreichen solle.
Wikipedia hat geschrieben:Die Ziele der deutschen Agrarpolitik wurden 1955 im Landwirtschaftsgesetz festgelegt. Da das Gesetz bis heute gültig ist, gelten diese Ziele noch heute.
Danach gilt es,
die Landwirtschaft mit den Mitteln der allgemeinen Wirtschafts- und Agrarpolitik – insbesondere der Handels-, Steuer-, Kredit- und Preispolitik – die Teilnahme an der fortschreitenden Entwicklung der deutschen Volkswirtschaft zu sichern,
der Bevölkerung die bestmögliche Versorgung mit Ernährungsgütern zu sichern,
die Landwirtschaft in den Stand zu versetzen, die für sie bestehenden naturbedingten und wirtschaftlichen Nachteile gegenüber anderen Wirtschaftsbereichen auszugleichen,
die Produktivität der Landwirtschaft zu steigern und
die soziale Lage der in der Landwirtschaft tätigen Menschen an die vergleichbarer Berufsgruppen anzugleichen.
die Länder mussten sich wieder selbst versorgen können
Das ist der Anspruch an die Landwirtschaft und sie hat sich diesem Anspruch gestellt. Es gibt sehr wenige Berufsfelder, die so innovativ sind, wie die Landwirtschaft. Wer das nicht glaubt, sollte sich mal die Agritechnika (weltgrößte landw. Messe in Hannover) anschauen. Während es im Bereich des Autos als absolut innovativ gilt, dass ein Tesla einen Autopiloten hat, kann darüber in modernen landw. Betrieben nur geschmunzelt werden. GPS-gesteuerte Spritzen und Düngerstreuer sind seit Jahren im Einsatz (wenn auch noch nicht überall Standard). GPS-gesteuerte Traktoren, die dafür sorgen, dass kaum ein m² Acker unnötig bearbeitet wird etc.pp. Auf großem Flächen (weil es sich nur da lohnt, z.B. USA, Brasilien, Osteuropa) fahren zwei Traktoren (vorne Bodenbearbeitung, hinten Sämaschine) hintereinander weg. Der EINE Fahrer sitzt hinten nur drauf, um im Notfall den roten Knopf zu drücken. Sonst nix). (Das ist leider längst nicht überall Standard und nicht jeder Landwirt nutzt die Technik, die zur Verfügung steht. Aber wer von uns fährt ein Elektroauto?)
Das alles, um effizient und kostengünstig zu produzieren, damit wir Endverbraucher das kg Hackfleisch für 2,99 € oder das Brötchen für 9 Ct kaufen können.
Ich verhehle überhaupt nicht, dass der Natur- und Umweltschutz in der Landwirtschaft zwar eine Rolle, aber nicht die größte spielt. Ja, es laufen einige Dinge aus dem Ruder (der Rückgang der Singvögel ist da ein trauriges Beispiel) und ja, viele Felder (egal ob Grünland oder Acker) sind Monokulturen ohne Platz für Beikräuter und Insekten (das gilt nicht nur für Mais. Wer mal in der Hildesheimer oder Magdeburger Börde die vielen Weizen- und Zuckerrübenfelder gesehen hat, sieht auch nur Monokulturen).
Warum ändert also der Landwirt nichts daran und verzichtet auf PBSM, lässt mehr Brachen liegen oder düngt weniger?
Weil sich die o.g. Form der Bewirtschaftung mehr rechnet!
Wer von Euch verzichtet freiwillig auf z. B. 10 % seines Gehalts oder spendet die Summe für den Naturschutz? "Kaum einer" wage ich zu behaupten!
Es gibt selbstverständlich Verbesserungspotenzial in der Landwirtschaft. Allerdings muss man sich auch darüber einig sein, WAS man verbessern möchte. Naturgemäß sieht ein Landwirt das anders, als z.B. ein Natur-, Vogel- oder Wasserschützer.
Und solange die breite Masse der Bevölkerung nicht nachhaltig und tatsächlich (die jahrelangen Lippenbekenntnisse haben sich bis heute kaum bewahrheitet) bereit ist, ihren eigenen Lebensstil zu verändern (weniger Fleisch, weniger Autoverkehr, höhere Preise für Lebensmittel), wird sich auch in der Landwirtschaft nichts nachhaltig verändern. Warum auch? Gleichberechtigung für alle.
pentidur hat geschrieben:Du bist selber in der Landwirtschaft tätig und erlebst Tag für Tag die wirtschaftlichen Zwänge, die zu Monokulturen und Einsatz von Pflanzenschutzmitteln führen. Es sind die Verbraucher, die für diese Zwänge verantwortlich sind. You get what You Pay for.
Frohes Schaffen,
Markus
P.S: mein etwas längerer Beitrag beleuchtet auch nur kleine Teilbereiche der ganzen Diskussion. Dennoch finde ich es wichtig, alle Seiten zu betrachten. Bauernbashing ist einfach. An die eigene Nase zu fassen dagegen sehr schwer. Ich schließe mich da nicht aus.