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 Betreff des Beitrags: AD/D: 5. Silvesterrevolution
BeitragVerfasst: Mi 9. Jan 2019, 08:09 


Ein wogendes Meer der Begeisterung. Ein einziger Freudentaumel. Das kollektive interkulturelle Hinübergleiten der vereinten Nationen ins neue Jahr. So hatte ich mir Silvester in Dubai vorgestellt. Doch meine Illusionen zerplatzten an der harten Realität, denn ich landete auf der am schlechtesten organisierten Silvesterparty der Welt.
Frühzeitig verließ ich mein Hotel, denn als Berliner weiß ich natürlich, wie schnell sich eine Partymeile füllt, in der Nacht der Nächte, wo alle zusammen feiern wollen, und dass die Zugänge bereits weit vor Mitternacht von der Polizei gesperrt werden, sobald die maximal erlaubte Menge an Besuchern erreicht ist.
Dubai feiert Silvester am Burj Khalifa, dem höchsten Gebäude der Welt. Dieses steht in Downtown, ein ausgesprochen attraktiv gestalteter Ort mit großen Wasserflächen, in altem Stil errichteten Gebäuden und modernen Hochhäusern. Zumindest war es 2012 noch so, bei meinem letzten Besuch. Doch dazu später mehr.
Ich versuchte also, irgendwie auf das sehr große Gelände zu kommen, stieß jedoch überall auf Bauzäune und Sicherheitsleute, die alle keine Ahnung hatten und nur wussten, dass es exakt an dieser Stelle kein Durchkommen gab. Dabei entdeckte ich zwei fundamental neue und überraschende, interessante Problembewältigungsstrategien: Entweder man verspricht, sich darum zu kümmern und taucht nicht wieder auf, so wie der Sicherheitsmann beim Nachtclublärmproblem in Abu Dhabi, oder man verweist die Person einfach an jemand anderen, dann muss der sich nämlich mit der Person auseinandersetzen. Letztere war die bevorzugte Methode der für die Silvesterparty eingesetzten Sicherheitsbeamten. Sie zeigten einfach in irgendeine Richtung, murmelten etwas in Englisch mit unverständlichem orientalischem Akzent und waren mich los. Und sie kamen jedes Mal damit durch, was mich am meisten ärgerte! Sie wollen auf die Party? Hier leider nicht, aber fragen Sie mal den da hinten …

Ich umrundete also dieses riesige Areal zu Fuß (hatte nebenbei bemerkt eine murmelgroße Blase am Fuß, als ich wieder zurück im Hotel war), und allmählich sickerte die Information zu mir durch, dass es nur einen Eingang gab, nämlich über die Dubai Mall, das Einkaufszentrum am Fuße des Burj Khalifa.
Wer diese Mall kennt, der weiß sofort, dass dies keine so schlaue Idee ist, denn sie ist extrem verwinkelt und unübersichtlich. Und tatsächlich benötigte ich fast eine Stunde, um den Informationspunkt zu finden, der für die Party zuständig war. Hinter deren Barriere aus Absperrungen und Sicherheitspersonal sah ich tatsächlich Leute auf das Partygelände laufen, mich hingegen informierten die Informanten, dass dies nur mit vorab gebuchten Tickets möglich sei. Wo ich denn ein Ticket kaufen könne, konnten sie mir auch nicht sagen. „Hier leider nicht, aber fragen sie mal den da hinten …“
Also verließ ich die Mall wieder, hinkte weiter um das große Gelände herum, und versuchte, einen Zugang zu finden.
Ich lief über eine, um diese Zeit bereits gesperrte, Autobahnbrücke, als sich mir eine der eindrucksvollsten Szenerien bot, die ich jemals gesehen habe. Das nachfolgende Foto kann sie nur unzureichend wiedergeben, denn es fehlen sowohl die Größe, die Auflösung, als auch die Dreidimensionalität des Geschehens. Aber in diesem Moment, als ich dort stand, war mein Gehirn kaum in der Lage, das Bild, dass sich mir bot, zu verarbeiten. Es wirkte auf mich, wie eine Szene in einem Science-Fiction-Film, ein Blick ins nächste Jahrtausend, surreal und phantastisch zugleich.
Die Szene gibt es . Man achte auf die winzige, fahrerlose, automatisch gesteuerte U-Bahn, die den futuristischen Eindruck noch verstärkt.

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Zuletzt geändert von User_07647 am Mi 9. Jan 2019, 19:17, insgesamt 1-mal geändert.

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 Betreff des Beitrags: Re: AD/D: 5. Silvesterrevolution
BeitragVerfasst: Mi 9. Jan 2019, 11:21 
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 Betreff des Beitrags: Re: AD/D: 5. Silvesterrevolution
BeitragVerfasst: Mi 9. Jan 2019, 13:40 
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 Betreff des Beitrags: Re: AD/D: 5. Silvesterrevolution
BeitragVerfasst: Mi 9. Jan 2019, 19:09 
Nach einer kurzen Erholungspause mit indisch gewürztem, pseudoitalienischem Nudelmatsch folgte ich wieder schnüffelnd der Partyfährte, wurde irgendwann von einem anschwellenden Menschenstrom mitgerissen, der sich dorthin bewegte, wo Taxifahrer normalerweise ihre Kunden absetzen, wenn sie zum Burj Khalifa wollen, und landete inmitten von Absperrgittern. Das Vorgehen der dortigen Ordnungskräfte war erstaunlich unkoordiniert, einige ließen sich bequatschen und öffneten die Absperrung für einzelne Personen, andere jedoch nicht, was die Stimmung der zurückgebliebenen ein wenig aufheizte.
Ich versuchte bettelnd mit den Sicherheitsleuten ins Gespräch zu kommen, was die sinngemäß immer gleiche Antwort zur Folge hatte: „Hier leider nicht, aber fragen sie mal den da hinten …“ Irgendwann wurde klar, was das eigentliche Problem war – zu viele Männer. Man wollte keine einzelnen Männer oder Männergruppen auf der Party haben, denn wie schon Genesis in dem Song „Land of Confusion“ feststellten – too many men, too many people making too many problems. Einer der Wachleute versprach mir, er würde mich durchlassen, wenn ich mit einer Frau wiederkäme, die dann als Schwester, Freundin oder Ehefrau akzeptiert würde. Also begann ich nun, wildfremde Frauen anzuquatschen, einige ganz normal aussehende, aber auch unfassbar dümmlich gestylte Tussis mit aufgespritzten Lippen, Silikonimplantaten, viel zu kurzen Röcken und halbmeterlangen Stilettos. Einige der begleitenden Männer sahen nicht viel besser aus. Und all diese Frauen wollten nur das Eine: Nicht mit mir auf die Party gehen! Erst die zickige Reaktion einer Deutschen brachte mich wieder zur Vernunft, denn unvermittelt wurde mir bewusst, wie erbärmlich ich mich aufführte und erkannte, wo mein Platz ist, nämlich ganz sicher nicht bei den feiernden Silikonsimpelchen, sondern bei den ausgebeuteten, entwürdigten und ausgesperrten Proletariern aller Länder. Vereinigt euch!
Und das war die beste Entscheidung dieses Abends, denn es stellte sich heraus, das dort draußen mehr Action war als drinnen. Irgendwer hatte nämlich bemerkt, dass die ineinandergehängten Absperrgitter sich auch auseinanderhängen ließen und somit den Weg freigaben. Unter heftigem Gejohle begann nun die Revolution! Die unterzähligen Wachleute hatten keine Chance gegen die mengenmäßig überlegenen Eindringlinge. Wie sollte man auch zehn, zwölf Personen einfangen, die in wilder Hast Richtung Partygelände stürmten?
Während man an einer Stelle versuchte, die Gitter wieder einzuhängen, wurden sie natürlich an anderer wieder auseinandergenommen. Ein amüsantes Katz-und-Maus-Spiel, das ich als Fotograf um nichts in der Welt hätte verpassen wollen.


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125. Roter Pfeil bedeutet: „Du kommt hier net rein!“

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126. Nur Tussis dürfen überall rein.

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133. Der Typ hatte ein lustiges Megafon. Immer, wenn jemand die Absperrung durchbrach, drückte er auf den Knopf, sodass eine Polizeisirene losjaulte. Was aber auch nicht viel brachte.

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135. Frau? Darf durch!

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138. Hier leider nicht, aber fragen sie mal den da hinten …

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139. Lauf!

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141. Er hat's leider nicht geschafft und wurde zurückgebracht.

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146. Auch Erwachsene mit kleinen Kindern wurden abgewiesen. Als wenn die das nicht selbst entscheiden könnten. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich die Lust auf die Party bereits total verloren, weil das Geschehen auf dieser Seite viel spannender war.

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148. Ein weiterer Deliquent wird zurückgeführt.

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150. Reparaturmaßnahmen

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152. Verstärkung trifft ein.

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154. Die Drinks aus dem Supermarkt dürften deutlich günstiger gewesen sein, als auf dem Partygelände.

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156. Und nun möchte ich Euch noch Samerkhan vorstellen. Der aus Indien stammende junge Mann links im Bild sprach mich plötzlich an, ob er wohl ein Foto mit mir zusammen machen könnte. Vielleicht hatte er meine Knipserei beobachtet und fand das interessant. Ich erklärte mich einverstanden, wenn er sich einverstanden erklärt, dass ich ihn und seine drei Brüder fotografieren darf. Er war einverstanden.
Von allen Menschen, die ich an diesem Abend traf, zog er mich am meisten in seinen Bann. Er hatte das Charisma eines Revolutionsführers, eines Filmstars, eines Ghandi. Sein freundliches, ehrliches Wesen war mir sofort sympathisch.

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Abschließend möchte ich noch anmerken, dass die Geschehnisse rund um die Party meiner Einschätzung nach weitestgehend gewaltfrei verliefen, bis auf ein paar Schubsereien und Schreiereien durch die gestressten Ordnungskräfte, die natürlich ihre Mühe hatte, die Menge im Zaum zu halten.
Ich habe die Leute eher als still und freundlich erlebt, schüchterne junge Männer mit weichem Händedruck, die sich gegenüber der Polizei und den Sicherheitsleuten kleine Neckereien herausnahmen und versuchten, ein Stück vom bunten Kuchen abzubekommen, der ihnen vorenthalten wurde. Und die Ordnungskräfte reagierte darauf äußerst besonnen, ohne große Truppenbewegungen, ohne Tränengas und Gummiknüppel.

Wird fortgesetzt …


Zuletzt geändert von User_07647 am Fr 25. Jan 2019, 20:38, insgesamt 1-mal geändert.

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 Betreff des Beitrags: Re: AD/D: 5. Silvesterrevolution
BeitragVerfasst: Mi 9. Jan 2019, 19:58 
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Hallo.
Deine Serie verfolge ich ganz gebannt und deiner Schreibe ebenso!
Allen 5 bisherigen Threads. Hier interessant für mich da ich es gar nicht erst versucht hatte hinein zu kommen und gespannt bin wie du das Feuerwerk abgelichtet hast.
Ich bin auf dem Weg zu einer Dachterasse im Stau hängen geblieben und habe gar nicht weit von dir gestanden.

Aber meine Bilder zeige ich später mal.

Lieben Gruss
Mudi


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 Betreff des Beitrags: Re: AD/D: 5. Silvesterrevolution
BeitragVerfasst: Do 10. Jan 2019, 00:09 
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gefällt mir immer wieder
LG Gerd


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 Betreff des Beitrags: Re: AD/D: 5. Silvesterrevolution
BeitragVerfasst: Do 10. Jan 2019, 04:03 
gryezer hat geschrieben:
Ich bin auf dem Weg zu einer Dachterasse im Stau hängen geblieben und habe gar nicht weit von dir gestanden.

Ach, guck an, ein Leidensgenosse! :wink:
Dann weißt Du ja sicherlich, dass auch der Rückweg nicht ganz einfach war. :rolleye: Dazu komme ich aber gleich noch.
Ich saß kurz vor Mitternacht noch an einer ungesicherten Hochhausbaustelle und überlegte, ob ich einfach in das Gebäude eindringe und für bessere Sicht ein paar Stockwerke nach oben klettere. Hab's dann aber lieber sein gelassen … :nono:


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 Betreff des Beitrags: Re: AD/D: 5. Silvesterrevolution
BeitragVerfasst: Do 10. Jan 2019, 10:31 
157. Und irgendwann war es dann soweit: Mitternacht, die Stunde, auf die alle gewartet hatten.

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Das Feuerwerk war mit rund fünf Minuten erstaunlich kurz, aber man darf nicht vergessen, dass so ein Turm nicht viel Platz hat, das Feuerwerk zu unterzubringen, auch wenn er der höchste der Welt ist. Statt vieler Bilder habe ich .

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Bei dem Versuch, die Gegend zu verlassen, zeigte sich erneut die ganze Idiotie der Veranstalter. Alle wichtigen Straßen waren gesperrt, ein Taxi wäre also nicht hilfreich, worauf mich die Taxifahrer freundlicherweise auch hinwiesen. So blieb nur die U-Bahn.
Der einzige in der nähe befindliche Bahnhof hatte zwei Zugänge, und diese waren weiträumig abgesperrt und unterteilt in – wie sonst sollte es sein – Männer und Nichtmänner. Blöd nur, dass keine Schilder darauf hinwiesen, deshalb stauten sich vor dem Männerzugang 90 Prozent Männer und 10 Prozent Nichtmänner, darunter viele Nichterwachsene, während am Nichtmännerzugang nur eine Handvoll Menschen ankam, der aber auch zu 90 Prozent aus Männern bestand, die natürlich abgewiesen wurden.
War den Verantwortlichen eigentlich klar, wieviele Todesopfer der Ausbruch einer Panik hätte fordern können? Und wie lange es dauert, viele tausende von Menschen zu befördern, wenn von zwei Zugängen nur einer genutzt wird?
Als ich zehn Minuten vor dem Männerzugang verbracht hatte, ohne auch nur einen Meter vorwärtsgekommen zu sein, drängelte ich mich wieder zurück und versuchte es beim anderen Eingang. Der Wachmann dort ignorierte sämtliche Argumente und auch das Vorzeigen meines lädierten und bandagierten Fußes kümmerte ihn nicht. Erst als ich anfing, ihn mit altgermanischen Flüchen zu verwünschen, gab er schließlich nach. Man muss dazu wissen, dass für viele Nichtgermanen die deutsche Sprache hart und unangenehm klingt. Vermutlich befürchtete der Mann, dass ihn meine Zauberformeln in ein Rhinozeros verwandeln oder ihn seiner Männlichkeit berauben würden. Egal, er ließ mich durch und ich sparte einige Stunden Zeit.

159. Ganz hinten rechts, das ist das Bahnhofsgebäude.

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160. Nie wieder Silvester in Dubai! (leichter Backfokus)

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Zur Fortsetzung


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