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Thingstätte Heidelberg
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Autor:  Marescalcus [ Mi 11. Jul 2018, 10:26 ]
Betreff des Beitrags:  Thingstätte Heidelberg

Der Begriff „Thingstätte“ war mir bis vor wenigen Tagen noch nicht geläufig.

Nachdem wir in den Höhenlagen zwischen Dossenheim und Heidelberg - auf dem "Heiligenberg" jedoch
auf eine solche gestoßen waren, hab ich mich mal etwas näher mit diesen Orten beschäftigt.

Als "Thing" wurden ursprünglich Volks- und Gerichtsversammlungen nach dem alten germanischen
Recht bezeichnet. Der Ort oder Platz, an dem eine solche Versammlung abgehalten wurde, wurde
"Thingplatz" oder "Thingstätte" genannt und häufig erhöht oder unter einem Baum, jedoch immer
unter freiem Himmel angelegt.

Die „moderne“ Thing-Bewegung ist um 1910, im Zuge der sogenannten „Jugendbewegung“ entstanden.
Durch Freilicht-Theater, Tanz, Gesang und gemeinsame Ausflüge in die Natur sollte nicht nur die eigene
Kultur belebt, sondern auch eine Abkehr von der als verkrustet empfundenen, kaiserlichen Ära des
vergangenen Jahrhunderts vollzogen werden.

In den 30er Jahren entdeckte dann das NS-Regime den Begriff "Thingstätte" für sich
und deutete ihn für seine eigenen Zwecke um. Die sogenannten „Thingspiele“ sollten nun hauptsächlich
ein emotionales und ethisches Aufgehen des Einzelnen in Heimat- und Volksgemeinschaft erleben lassen.
Folglich eigneten sich diese Stätten ganz hervorragend - mit Kundgebungen und Fackelzügen -
für die propagandistischen Ziele der Nazis.

Daher wurden als Thingstätten vor allem landschaftlich beeindruckende Plätze gewählt: stimmungsträchtige
Orte, umgeben von Wäldern, an Gewässern, in Hügel oder natürliche Felsen eingebettet, an Ruinen oder
anderen Spuren der germanisch/deutschen Geschichte.

Die NS-Thingspielbewegung hatte nur wenige Jahre Bestand. Geplant waren zwischen 200 und 400
Thingstätten; fertiggestellt wurden – über ganz Deutschland verteilt - nur etwa 60, von denen heute
jedoch noch viele existieren.

Wenn diese heute vereinzelt noch genutzt werden, dienen sie z.B. als Freilichttheater oder als Bühne
für Musikveranstaltungen. Die bekanntesten NS-Thingplätze sind die Berliner Waldbühne, der
Lorelei-Felsen am Rhein und das alte Kalkbergstadion in Bad Segeberg, wo heute die bekannten
Karl-May-Festspiele stattfinden.

Die Heidelberger Thingstätte zeugt besonders gut von der Adaption und Verfremdung der historischen
Thingidee durch die Nazis. Anstatt die Versammlung und Besprechung von wichtigen Angelegenheiten
in den Mittelpunkt zu stellen, ermöglichten die unter den Nationalsozialisten errichteten Thingstätten
durch ihre ausgeklügelte, zentrische Anlage in Form eines antiken Amphitheaters, nunmehr perfekt
die Inszenierung des Führerkults.

Die Heidelberger Stätte wurde in direkter Nähe der mittelalterlichen Ruinen des „Stephansklosters“
errichtet. Sie wird heute nur noch als historisches Denkmal genutzt, ist frei zugänglich und präsentiert
sich durchaus gepflegt. Sie bot während Ihrer Nutzungsdauer auf unzähligen Stufen Platz für bis zu
20.000 Zuschauern.

Hier waren die K-1 mit dem 150-450er / 15-30er und die K-3 mit einem funkelnagelneuen 55-300 PLM als Begleiter
dabei.

Gruß vom Ralf

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Autor:  diego [ Mi 11. Jul 2018, 10:38 ]
Betreff des Beitrags:  Re: Thinkstätte Heidelberg

Als fast Heidelberger (im Landkreis HD aufgewachsen) habe ich die Thinkstätte nie mit eigenen Augen gesehen. Jetzt hat mich wenigstens einer an der Besichtigung teilhaben lassen.
Auch Dank für die ausführliche Einleitung, :cap:

Autor:  User_07214 [ Mi 11. Jul 2018, 11:05 ]
Betreff des Beitrags:  Re: Thingstätte Heidelberg

Für mich die #2, #6, #9, #14 bitte sehr. Ich hätte evtl alle Bilder wie die 14 in den Farben bearbeitet... ein Ort der dunklen deutschen Zeit...

Übrigens gibt es auch noch alte germanische Thingorte, auch hier in meiner Wohngegend... lokale Mythen berichten davon, zum Teil sind die alten Kirchen auf den Ruinen altgermanischer heiliger Orte errichtet worden...und letztendlich alles Wissen darüber ist nur "scheinbar", aber komplexer als Wiki und Co... die "Gerichtslinde" zum Beispiel unter der das Thing statt finden solle...im Norden waren es sicherlich Eichen, in Süden Germaniens ist es unklar...

Und das Althing (Thingvellir/ Þingvellir, Island) ist die 2. Wiege der Demokratie (nach den Athenern) und das am längsten bestand habende parlamentarische System, gefolgt vom Løgting, des heutigen Parlaments der Färöer, das etwas jüngeren Datums ist.

Autor:  Jeep [ Mi 11. Jul 2018, 22:39 ]
Betreff des Beitrags:  Re: Thingstätte Heidelberg

HALLO lieber Ralf hättest ja auch was sagen können wenn du schon bei mir vor der Haustüre bist wäre gerne gekommen. Und das letzte große Konzert das ich auf der Thingstätte besucht habe war eines von Udo Jürgens mit mehr als 10 000 Zuschauern war echt klasse und auf den Klostermauern habe ich mir mit 14 Jahren den Arm gebrochen als ich von 2,5 Metern Kopf über runter gesaust bin grins. Aber sehr schöne Bilder :2thumbs: :2thumbs:
LG Gerd

Autor:  mika-p [ Do 12. Jul 2018, 07:59 ]
Betreff des Beitrags:  Re: Thingstätte Heidelberg

Tolle Serie, Ralf, und Danke für die ausführliche Information.
Da werde ich bei uns in der Ecke auch einmal suchen gehen müssen.

Mein Favorit ist natürlich die Zweckentfremdung mit der #8 :2thumbs:

Autor:  Alaric [ Do 12. Jul 2018, 08:05 ]
Betreff des Beitrags:  Re: Thingstätte Heidelberg

Sehr schöne Bilder und die Frevler in der #8 sind auch mein Favorit!
Danke auch für die ausführliche Erläuterung.

Autor:  kaeptn_blaubart [ Do 12. Jul 2018, 11:48 ]
Betreff des Beitrags:  Re: Thingstätte Heidelberg

Sehr schön mal etwas von "zu Hause" zu sehen, aber gib es zu: Du wolltest nur mal die Konkurrenz-Stadt für das große UT im kommenden Jahr ausspionieren... :devil: :rofl: ;) :cheers:

Ich war das letzte Mal direkt vor Weihnachten auf der Thingstätte oben - bei einsetzender Dunkelheit; das war schon fast eine unheimliche Atmosphäre. Leider aber ohne meiner Pentax. Ich hoffe, Du hast auch mal etwas von der Bühne aus hinausgerufen, denn der Sound ist schon der Knaller. Wenn nicht, solltest Du dies das nächste Mal nachholen.

Davon ab: tolle Bilder. Mir gefällt die #1 am besten, da hier die Größe dieses "Bauwerks" am Besten rüberkommt; und ich bin jedes Mal wieder von neuem erstaunt wie BIG das Teil eigentlich ist. Wenn jemand mal in der Nähe sein sollte: kann man sich durchaus mal ansehen. ;)

Autor:  Marescalcus [ Do 12. Jul 2018, 11:50 ]
Betreff des Beitrags:  Re: Thingstätte Heidelberg

Jeep hat geschrieben:
HALLO lieber Ralf hättest ja auch was sagen können wenn du schon bei mir vor der Haustüre bist wäre gerne gekommen.
LG Gerd


Lieber Gerd,
das nächste Mal gerne; dies hier hatte sich für uns ganz zufällig und ungeplant ergeben - wir kamen sozusagen zur Thingstätte
"wie die Jungfrau zum Kind" ... :ja: Das Du als junger Recke übermütig auf den Klosterruinen herum geklettert bist, kann ich mir gut vorstellen xd

kaeptn_blaubart hat geschrieben:
... aber gib es zu: Du wolltest nur mal die Konkurrenz-Stadt für das große UT im kommenden Jahr ausspionieren... :devil: :rofl: ;) :cheers: Ich hoffe, Du hast auch mal etwas von der Bühne aus hinausgerufen, denn der Sound ist schon der Knaller. Wenn nicht, solltest Du dies das nächste Mal nachholen. ;)


Hi Kaeptn,
na, war das so offensichtlich ? Jetzt fühle ich mich aber ertappt... :mrgreen: :cheers:

Wenn Du die "UT-Konkurrenz" ansprichst: einen alten Menhier-Kultplatz haben wir auf den „Scheftheimer Wiesen“ in der Nähe Darmstädts auch zu bieten
und der vordere Odenwald ist voll mit alten Kraftplätzen.... 8-)

Natürlich haben wir und andere anwesende Besucher die Klangfülle der Anlage mit viel Spaß ausprobiert. Ist tatsächlich beeindruckend, wie die intensiv Töne dort
bis auf den letzten Platz verteilt werden. Für Schauspiel und Konzerte aller Art sicherlich grandios.

@all: Danke für Eure netten Kommentare.
Die beiden Jungs per Rad waren vielleicht 13 - 14 Jahre alt und haben es da ganz ordentlich krachen lassen. Die Bandscheiben und
Gelenke haben sich abends sicherlich für die heftigen Erschütterungen unzähliger Male "downstep"-Fahrens herzlich bedankt. Irgendwann
zwischendrin ist einem davon plötzlich das Hinterrad weggeflogen... Aber nach ein paar Minuten Wunden lecken und Schrauberei gings auf
in die nächste Runde. Gut das die Jungs behelmt unterwegs waren.

Besonders interessant für mich war das Verhalten des bis dahin noch jungfräulichen 55-300 PLM. (#2, 5, 9, 10, 14, 15)
Nach der überzeugenden Schwärmerei von Gerd zu dieser Linse beim UT in Duisburg, konnte ich den günstigen AC-Foto-Angeboten der letzten
Zeit nicht widerstehen. Der erste Einsatz zeigte einen schnellen und fast immer treffsicheren Fokus, für`s Probeschießen schicke Ergebnisse und
ein wirklich hübsches Bokeh.

Die ausführliche Einleitung (da könnte man noch viel weiter in die Tiefe gehen) find ich wichtig, wenn ich alte NS-Anlagen zeigen. Sowas möchte ich
nicht unkommentiert lassen und am Ende missgedeutet werden...

Wer bei mal nach Thingstätten schauen möchte:

Liste von Thingstätten (unvollständig)

Augsburg -Freilichtbühne,
Bad Schmiedeberg/Weißandt-Gölzau - Thingplatz in der Dübener Heide, zweite Thingstätte direkt neben Weißandt-Gölzau
Bad Segeberg - Kalkbergstadion, heute die Bühne der Karl-May-Spiele Bad Segeberg
Bad Windsheim -Thingstätte am Weinturmhügel
Barkhausen an der Porta Westfalica - Goethe-Freilichtbühne
Berchtesgaden-Strub - ehemaliger Thingplatz, heute Jugendherberge Berchtesgaden
Bergen auf Rügen "auf dem Rugard"
Berlin - als Dietrich-Eckart-Freilichtbühne 1936 eingeweiht, Teil des Reichssportfeldes für die Olympischen Sommerspiele 1936, heute Berliner Waldbühne
Berlin -1936 eingeweiht. Heute Freiluftkino im Volkspark Rehberge
Berlin-Lichtenberg -Thingplatz Lichtenberg, soll heute „Floraplatz“ heißen, Zustand unklar
Bochum-Wattenscheid - heute Freilichtbühne im Stadtpark Wattenscheid
Borna -Volksplatz Borna, restaurierte Anlage
Bous (Saar) - ehemaliger Thingplatz mit einem angeschlossenen HJ-Heim, Ort an dem 1949 das Redemptoristenkloster Heiligenborn erbaut wurde
Brahmsee - Thingplatz am Brahmsee,
Braunschweig - am Nußberg - Thingstätte, heute verfallen
Dorweiler - Freilichtbühne auf Burgruine Waldeck,
Dresden - heutige "Volksbühne" - als Teil des Gauforum für Nationale Kundgebung geplant, später als Thingplatz genutzt,
Ehrenfriedersdorf - heutiges Naturtheater Greifensteine,
Eichstätt - Thingstätte auf einer Anhöhe nördlich von Eichstätt mit Blick auf die Willibaldsburg, heute trotz der natürlichen Einflüsse noch gut zu erkennen[
Freyburg (Unstrut) - Thingplatz auf dem Haineberg mit Blick auf die Neuenburg, heute immer mehr mit Gebüsch zugewachsen.
Ganderkesee-Bookholzberg - Freilichtbühne Stedingsehre
Giebelstadt - Thingplatz vor dem Florian Geyer Schloss, heute Ort der Florian Geyer Freilichtspiele
Halle (Saale) - erste Thingstätte Brandberge, eingeweiht am 5. Juni 1934
Hameln - „Reichsthingplatz“ auf dem Bückeberg,
Heidelberg - Thingstätte auf dem Heiligenberg
Herchen - Thingplatz Herchen
Holzminden - weitgehend erhaltener Thingplatz im Stadtpark, heute Grill- und Spielplatz
Jülich - Thingplatz im Brückenkopf, von dem einige Teile erhalten blieben,
Kamenz - Thingplatz auf dem Hutberg, heute „Hutbergbühne“,
Kuhlmühle bei Wittstock/Dosse - Thingplatz Kuhlmühle, Zustand unklar
Lamspringe - Thingstätte im ehemaligen Klostergarten, heute kaum mehr sichtbar
Leutkirch - Thingplatz unterhalb der Wilhelmshöhe, heute kaum mehr sichtbar
Loreley-Felsen (Sankt Goarshausen) heutige Freilichtbühne Loreley,
Lübeck-Travemünde, OT Travemünde - Freilichtbühne auf der Trave-Halbinsel Priwall, erhaltene aber verwilderte Anlage
Mülheim an der Ruhr - Freilichtbühne Mülheim an der Ruhr
München-Ludwigsvorstadt-Isarvorstadt - Thingstätte an der Münchner Theresienwiese
Northeim - Freilichtbühne Gesundbrunnen, heute „Waldbühne“
Oldenburg-Brokhausen - Feierstätte Stedingsehre
Ostseebad Heringsdorf-Ahlbeck - Thingstätte Heringsdorf-Ahlbeck, früher auch „Waldstadion Heringsdorf“
Passau - an der Veste Oberhaus
Rathen- Felsenbühne Rathen
Rheinsberg/Brandenburg - Thingplatz "Deutschlandlager", errichtet 1935 für ein Hitlerjugend-Rennen
Rostock - Barnstorfer Wald am heutigen „Platz der Jugend“
Rothenfels - „Thingplatz an der Linde“ vor Burg Rothenfels
Schildau bei Torgau - Thingplatz, heute kaum mehr sichtbar
Schleiden (Eifel) - in der Ordensburg Vogelsang
Schwarzenberg - „Grenzlandfeierstätte Erzgebirge“, heutige „Waldbühne“
Stolzenau - neben der heutigen Weserkampfbahn an der Schlüsselburger Straße; Treppenstufen oder Sitzplätze in Resten erhalten
Stuttgart-Rohr - Thingstraße/Thingplatz mit HJ-Heim, heute Albert-Schweitzer-Schule,
Tecklenburg - Umbau der Tecklenburg zur NS-Thingstätte, heute Freilichtspiele Tecklenburg
Verden (Aller)- Thingstätte Sachsenhain,
Werder/Havel - ehemalige Thingstätte am Stadtpark,[17] begrünte Anlage erhalten und ungenutzt
Zella-Mehlis - Thingplatz bei Zella,
Zwickau -Thingplatz Zwickau, heute "Freilichtbühne am See" neben dem Schwanenteich,

Gruß vom Ralf

Autor:  blafaselblub57 [ So 15. Jul 2018, 22:53 ]
Betreff des Beitrags:  Re: Thingstätte Heidelberg

1.: sehr schöne Bilddokumentation von Dir :bravo: :hat: .
2.: Historische Darstellung dazu :2thumbs: :2thumbs: :2thumbs:
3: gerne mehr :cheers: :ja:

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