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BeitragVerfasst: So 1. Nov 2020, 10:42 
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Danke. :cheers:

Ich nehme mich an und freue mich auf die Herausforderung. :rolleye:

Harald hat die Nachrichten geschaut oder gelesen. Ein wirklich schweres Thema, aber eine reizvolle Challenge, weit weg von meiner fotografischen Bequemzone.

Das Licht ist heute nicht einfach, es ist ziemlich neblig, was aber egal ist, denn schöne Landschaftsaufnahmen stehen bei dem Thema mit Sicherheit nicht auf dem Programm. Außerdem werde ich sowieso vor allem in der Dunkelheit unterwegs sein und dabei High ISO und das PLM testen. Und natürlich meine Fähigkeiten bei einer fotografisch vollkommen neuen Baustelle. Mal sehen ...

Schönen Tag Euch allen! :cap:

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BeitragVerfasst: So 1. Nov 2020, 20:21 
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HaDi hat geschrieben:
In dieser Suppenküche macht Panoramafotografie keinen Spaß !...


Aber Deine Ergebnisse gefallen super klasse. :2thumbs: :clap:

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Mit freundlichem Gruß
Matthias

...but you can call me Blue





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BeitragVerfasst: Mo 2. Nov 2020, 13:23 
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* Man sagt, man solle nicht mit Wut im Bauch schreiben. Doch ich bin wütend und halte mich nicht daran.
* Es heißt, man solle im Internet nicht zu viel Privates über sich veröffentlichen. Doch dies hier wird sehr privat und sehr persönlich, ich halte mich also nicht daran.
* In den Forumsregeln steht geschrieben, dass man sich nicht politisch äußern solle. Ich werde versuchen, es so weit wie möglich zu entschärfen, halte mich aber trotzdem nicht grundsätzlich daran.
* Bei jeder Erziehung geht es auch darum, die Verwendung von Schimpfwörtern einzuschränken, aber dieser Protest ist auch ein derber. Ich werde nur übersetzen, doch bedeutet auch dies: Ich halte mich nicht daran.
* Kluge Menschen empfehlen, sich kurz zu halten und auf den Punkt zu kommen. Ich allerdings halte mich nicht daran.
* Es gilt als gegeben, dass Fotos für sich selbst sprechen sollten. Was soll‘s, ich halte mich nicht daran.
* Man sollte nur seine besten Fotos vorzeigen. Und ich? Ich halte mich nicht daran.
* Zu Zeiten einer Pandemie sollte man soziale Kontakte auf ein Minimum beschränken und öffentliche Versammlungen vollkommen meiden. Auch wenn ich diese Empfehlung nicht zuletzt aus Eigennutz verfolge, halte ich mich in diesen Tagen nicht daran.

Meine Challenge hat das Thema: "Roter Blitz". Es ist ein aktuelles, hochpolitisches und ein sehr persönliches Thema für mich.

Ihr fragt Euch vielleicht: Was ist da los in Polen? Was passiert da gerade? Ich werde versuchen, Euch ein paar Antworten zu liefern. Vielleicht auch Antworten, die Ihr in deutschen Medien sonst nicht finden könnt. Doch womit soll ich anfangen? Am Anfang vielleicht noch chronologisch: Die ersten Motive zeigen den Weg von meiner Wohnung zu den Protestorten.

Die meisten meiner folgenden Fotos haben rein dokumentarischen Wert. Mein Respekt vor politischen Fotografen, die solche Demos zeigen, ist enorm gestiegen. Es gibt aber ein paar Ausnahmen, wo ich auch auf Ästhetik geachtet habe. Die #1 ist so ein Fall (okay, das Plakatraster ist jetzt auch nicht so toll). Das Poster des Frauenstreiks klebt über dem Plakat für eine Fotoausstellung zu Sibirien, die ich mir übrigens anschauen werde, sofern das noch möglich sein wird.


#1

Den Weg zur #2 habe ich ganz bewusst gewählt. Es soll um einie der häufigsten Fragen gehen, die ich als Stadtführer in den letzten Jahren gestellt bekommen haben: „Warum wählen die Polen diese Partei?“ Die deutschen Medien scheinen die Antworten auf diese Frage anscheinend nur unzureichend zu liefern. Was sehen wir an diesem Ort, den ich häufiger auch bei Führungen zeige? Zu sehen ist der Kopf einer Frau, daneben steht: „Wer hat Jula Brzeska umgebracht?“ Dieses Schablonengraffiti ist in ganz Polen zu sehen. Jolanta Brzeska war eine Aktivistin, die sich um Menschen gekümmert hat, die infolge der sogenannten wilden Reprivatisierungen von einem Tag auf den anderen auf die Straße gesetzt worden sind, darunter auch alte Leute. Jula musste ihr Engagement mit ihrem Leben bezahlen, am 1. März 2011 wurde sie in einem Wald verbrannt, die Täter wurden nie gefasst. Ich kenne Aktivisten aus ihrem Umfeld, die für die aktuelle Regierung gestimmt haben, da das Umfeld der Nutznießer der wilden Reprivatisierungen sich mit dem Umfeld der Vorgängerregierung überschneidet. Doch das ist nicht alles: Noch vor 5 Jahren habe ich gesagt, dass der Alltag des Ottonormalpolen fünfmal schwerer zu meistern ist als der des Ottonormaldeutschen, Arbeitszeiten von 80 Stunden pro Woche mit Zweit- und Drittjob waren und sind keine Seltenheit. Doch es ist besser geworden: Inzwischen erzähle ich meinen Gruppen, dass der Alltag des Ottonormalpolen zwei- bis dreimal schwerer zu meistern ist als der des Ottonormaldeutschen. Die PiS-Regierung hat das umgesetzt, was ich schon vor Jahren gefordert habe: eine Sozialpolitik, etwa mit Kindergeld oder höheren Renten. Und von dieser Sozialpolitik profitieren Arme, Alte und in ländlichen Gebieten Wohnende, kurz: die Wählerschaft der PiS.


#2

Mit der #3 kommen wir zu einer weiteren gesellschaftlichen Institution, der Katholischen Kirche. Zu sehen ist hier ein Wortspiel: „Złodzieje“ bedeutet „Diebe“, „Zło dzieje się” bedeutet „Böses geschieht“. Wir sehen hier an der Mauer der Fronleichnamskirche Kirchenkritik, die ich verstehe, bei der der Pfarrer hinter den Mauern aber nicht versteht, dass er damit gemeint ist. Ich möchte 2 Zitate angeben, das erste von einem deutschen Pfarrer auf Pilgerreise in Polen, das zweite von einem Krakauer Dominikanermönch:

1. „Die Katholische Kirche in Polen widert mich an.“
2. „Die [polnische Katholische] Kirche ist krank. Sie muss vollständig zerstört werden, nur so wird es möglich sein, dass sie wieder gesundet.“

Papst Franziskus soll übrigens ähnlicher Meinung sein.



Bei der #4 und #5 kommen wir zu Solidaritätsbekundungen für die Protestierenden, zum einen vom Jüdischen Gemeindezentrum, zum anderen von einer Boutique. Interessant vielleicht: Ich habe die Route bewusst an diesen beiden Punkten vorbei gewählt. Ich hatte nicht gewusst, dass dort Solidaritätsbekundungen zu finden sein werden, war mir aber sicher.


#4


#5

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Zuletzt geändert von mein Krakau am Mo 2. Nov 2020, 19:03, insgesamt 3-mal geändert.

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BeitragVerfasst: Mo 2. Nov 2020, 13:23 
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Die #6 zeigt ein Haus von Teodor Talowski, einer der interessantesten Architekten in Krakaus Geschichte. Und es zeigt den Krakauer Sitz der Regierungspartei PiS, der inzwischen von der Polizei geschützt werden muss.


#6

Im Folgenden kommen Blumen und Grabschmuck an die Reihe, die vor dem Sitz der PiS zu finden sind.

Auf der #7 steht: „Jarek [Kaczyński], auf dass die Sterne dir niemals ausgehen werden“, darunter sind die Sterne zu sehen: ***** ***, ein Platzhalter der sogenannten 8-Sterne-Bewegung, wobei die Sterne stellvertretend stehen für: "Jebać PiS", zu Deutsch: "Fuck PiS".


#7

Auf der #8 steht: „Letzter Abschied“. Allerheiligen ist in Polen einer der wichtigsten Feiertage, zu dem normalerweise die Friedhöfe brechend voll und in ein Lichtermeer verwandelt werden. Die Regierung hat erst ein paar Stunden vor dem Wochenende verkündet, dass die Friedhöfe in diesem Jahr wegen Corona geschlossen bleiben. Die Protestierenden unterstützen die Blumen- und Kerzenverkäufer, kaufen ihre Produkte und nutzen sie für die Proteste.


#8

Das weiß-rote Band der #9 auf Deutsch: „Mit den Wünschen eines politischen Todes“.


#9

Die Grableuchten der #10 zeigen eines der zentralen Protestzeichen, den roten Blitz. Von Regierungsseite wird übrigens versucht, dieses Zeichen zu diskreditieren. Es zeige den Blitz der SS, deren Ziele sich mit den Protestierenden überschneiden würden. Urteilt selbst, sowohl was die grafische, als auch was die politische Nähe angeht.


#10

Auf der #11 sind die Polizisten zu sehen, die den Sitz der PiS schützen. Sie haben in diesen Tagen einen sehr schweren Job, sowohl körperlich wegen stundenlanger Einsätze als auch psychisch, da sie unabhängig von der eigenen Meinung ihren Job tun müssen. Es gibt aber in den letzten Tagen viele Solidaritätsbekundungen für die Proteste von Seiten der Polizei.


#11

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BeitragVerfasst: Mo 2. Nov 2020, 13:23 
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Auf der #12 sind die 2 Gesichter von Jarosław Kaczyński und Wojciech Jaruzelski zu sehen, die zwar die meisten von Euch kennen dürften, aber der Zusammenhang dürfte dennoch nicht klar werden. Eine Erklärung: Generell wird Kaczyński in Polen sehr oft als Genosse Jarosław bezeichnet. Die zweite: Ganz aktuell bezieht sich der Protest auf eine Ansprache von vor einigen Tagen, die der berühmten Ansprache Jaruzelskis zur Verhängung des Kriegszustands in Gestik, Mimik und Sprache geähnelt hat. Diese Ansprache kann nur als absoluter politischer Tiefpunkt in der Geschichte Polens bezeichnet werden. Kaczyński hat nämlich Hooligans, Schläger und Kriminelle dazu aufgefordert, Kirchen zu schützen und protestierende Frauen zu schlagen. Am Tag danach wurde meine Frau von einem solchen Hooligan angehustet und bedroht, sie musste fliehen. Sie kam noch nicht einmal von Protesten, sondern von der Arbeit. Ihr Fehler: Sie ist eine Frau und sie war schwarz angezogen (eines der Symbole des Protestes). Dies bringt das alles auf eine sehr persönliche Ebene: Kaczyński hat meiner Familie den Krieg erklärt. Tragisch finde ich das alles auch deswegen, weil er sich im Laufe der letzten Jahre stetig radikalisiert hat. Sein eigentlicher Ausgangspunkt Ender der 80er, Anfang der 90er Jahre war sein Idol Ludwig Erhard und die Soziale Marktwirtschaft. Und jetzt sind wir hier angekommen. Nicht wenige politische Kommentatoren und die meisten meiner Freunde sind übrigens der Ansicht, dass Kaczyński die Protestierenden mit voller Absicht gerade jetzt auf die Straßen getrieben hat, um einen Schuldigen für die kommenden Coronatoten zu erhalten. Während Polen die 1. Welle wesentlich besser als Deutschland überstanden hatte, sah es jetzt schon vor den Protesten ganz anders aus.


#12

Ab hier ist es nicht mehr chronologisch, sondern eher thematisch geordnet. Die #13, #14 und #15 zeigen Solidaritätsbekundungen, zum einen an der Autotür (hier steht: "Verpisst euch"), zum anderen eine zuwinkende alte Frau, die wegen Corona nicht mitläuft. Übrigens laufen in Warschau Veteraninnen des Warschauer Aufstands mit, die um die 90 Jahre alt sind. Ihre Aussage: „Kaczyński zwingt uns auf die Straße, wir müssen wieder kämpfen.“


#13


#14


#15

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Zuletzt geändert von mein Krakau am Mo 2. Nov 2020, 15:31, insgesamt 3-mal geändert.

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Ums Kämpfen geht es auch bei den folgenden Schildern. Bei der #16 ist es unschwer zu verstehen.


#16

Die #17 ins Deutsche übersetzt: „Selbst ein Kind weiß, dass Mama sauer wird, wenn man sie verärgert“.


#17

Die #18 zeigt eines von vielen Wortspielen: „Rezept für Freiheit“, durchgestrichen ist PiS, also: Freiheit ist nur ohne PiS möglich.


#18

Auf der #19 sehen wir die eigentliche Bedeutung des roten Blitzes, wieder ein Wortspiel: aus „Stromausschalter“ wird „Regierungsausschalter“. Der Blitz soll für die Spannung stehen, die sich in den letzten Tagen, Wochen, Monaten und Jahren angestaut hat. Tatsächlich ist diese Spannung zu spüren, doch leider ist es mir meiner Meinung nach nicht gelungen, sie fotografisch darzustellen.


#19

Die #20 endlich mal selbsterklärend.


#20

Auf der #21 steht: „PiS schockiert. Es gibt keinen Ort, an den sie sich verpissen könnten“.


#21

Die gestrigen Proteste wurden vor allem von Studenten veranstaltet, Ausgangspunkt war das Collegium Novum, an dem auf der #22 steht, dass sich die Jurafakultät für [ihren Absolventen, den derzeitigen Präsidenten] Duda schämt.


#22

In Polen gilt noch ein Gesetz, das Präsidentenbeleidigung mit Freiheitsstrafe ahndet, insofern ist das Plakat der #23 nicht ungefährlich: „Jarek [Kaczyński], adoptiere ein krankes Kind. Andrzej [Duda, der Präsident] zählt nicht“. Für mich persönlich ist das Verhalten des Präsidenten auch deswegen traurig, da seine Frau zu den besten Deutschlehrerinnen in Polen zählte und unter anderem mit den Deutschlehrwerken unterrichtet hat, die ich geschrieben habe. Als First Lady macht sie einen schlechteren Job als als Deutschlehrerin. Sie schweigt zu jedem Thema.


#23

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BeitragVerfasst: Mo 2. Nov 2020, 13:24 
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Übrigens werden die Teilnehmer an den Protesten von Regierungsseite wahlweise als Faschisten, Anarchisten, Nihilisten und Kannibalen [sic!] bezeichnet. Wenn ich mir die junge Frau auf der #24 ansehe, vermute ich eher ein schüchternes Mädchen, das zum Gang auf die Straße gezwungen ist. Auf ihrem Schild ein weiteres Wortspiel: „Achtung, böse PiS“, durchgestrichen das originale Wort: Hund.


#24

Eine weitere „Faschistin, Anarchistin, Nihilistin und Kannibalin“ bei der #25, zu sehen der rote Blitz an ihrer Maske.


#25

Hätte ich den Fokuspunkt richtig gesetzt, wäre die #26 ein gutes Foto geworden. Keine Ahnung, warum ich es versemmelt habe. Aber ich möchte es trotzdem zeigen, da der rote Blitz auch Teil des Make-ups wird und ich kein anderes Beispiel dafür habe.


#26

Und natürlich ist der rote Blitz auf den Masken zu sehen, wie hier bei der #27. Weitere Protestzeichen sind schwarze Kleidung und Regenschirme.


#27

Ich danke doppelt dafür, dass ich bei der #28 nicht übersetzen muss.


#28

Bei der #29 gibt es im Hintergrund ein weiteres Wortspiel: „Noch ist Polen / die Polin nicht verloren“. Im Vordergrund steht links: „Freiheit ist eine Frau [auch im Polnischen ein feminines Wort]“ und rechts: „Zusammen gegen Hass“.


#29

Das Paar der #30 hält ein Schild hoch, auf dem steht: „Das war kein Tribunal [Verfassungsgericht]“, mit Bezug auf das Urteil des nicht mehr unabhängigen Verfassungsgerichts, das Abtreibungen noch weiter als sowieso einschränkt und Auslöser der aktuellen Proteste war. Die Vorsitzende des „Gerichts“ zieht es übrigens vor, die meiste Zeit bei ihrem Mann in Berlin statt in Polen zu verbringen, der dort Botschafter ist, zu sozialistischen Zeiten allerdings ein Mitarbeiter des Geheimdienstes war. Vielleicht hat ja einer der Berliner Pentaxians Lust, vor der Villa ein bisschen Radau zu machen. Jedenfalls hat sich das Ehepaar schon über den Lärm beschwert. Die Berliner Polizei kam vorbei, hat nach dem Grund für die Proteste gefragt, um dann die Protestierenden zu bitten, weiter mit dem Protest zu machen.


#30

Bei der #31 habe ich mir ein bisschen Mühe gegeben und Steven Spielberg gespielt. Das Mädchen mit dem roten Blitz … Generell halte ich das für eines der besseren Fotos.


#31

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Zuletzt geändert von mein Krakau am Mo 2. Nov 2020, 14:11, insgesamt 1-mal geändert.

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BeitragVerfasst: Mo 2. Nov 2020, 13:24 
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Kommen wir mit der #32 zum Marsch. Auf dem zentralen Schild steht: „Halte Abstand zu meiner Gebärmutter“.


#32

Ein paar Schritte davor habe ich die #33 fotografiert, im Hintergrund sehen wir den Kościuszko-Hügel, zu Ehren des polnischen Freiheitskämpfers, der George Washingtons wichtigster General im Unabhängigkeitskrieg gegen die Engländer war. Kościuszko war übrigens auch Humanist und Vorkämpfer für die Beseitigung der Sklaverei, weswegen ich dieses Motiv ganz bewusst gewählt habe.


#33

Bei der #34 befinden wir uns schon in der Altstadt. Kurze Zeit später wurde der Marsch von einem Feuerwehrwagen gesprengt, der mit Sirene durchraste. Der Grund: Bombenalarm im Bonerpalast (die Familie Boner war eine Frankfurter Händlersfamilie mit besten Kontakten nach Nürnberg, die sich im Mittelalter in Krakau niedergelassen hat). Meine Vermutung: Der Alarm wurde anonym zur Störung des Marsches der Feuerwehr gemeldet.


#34

Die #35 zeigt den Endpunkt des Marsches auf dem Krakauer Hauptmarkt. Ich gehe davon aus, dass es gestern zwischen 5.000 und 7.000 Teilnehmer waren und damit relativ wenige. Es war ein Luftholtag. Generell sind die Proteste zahlenmäßig und von der politischen Bedeutung die größten Aufstände seit den 80er Jahren. Wichtig ist, dass nicht nur die städtische Bevölkerung protestiert, bei der die PiS sowieso nicht beliebt ist, sondern auch die in Kleinstädten und Dörfern. Es gibt ländliche PiS-Hochburgen, in denen jeder 5. Einwohner oder noch mehr gegen die Regierung protestiert. Nicht nur Frauen oder Studenten, sondern auch Taxifahrer, Biker, Bauern und auch die Wählerbasis der PiS. Gestern Abend hat der Frauenstreik seine ambitionierten und deutlichen Forderungen veröffentlicht: Vollkommene Enteignung von Kirche und staatlichem Fernsehen zugunsten des Gesundheitssystems, Rücktritt der Regierung bis Ende des Jahres, sofortiger Rücktritt von Jarosław Kaczyński. Es geht inzwischen also längst um mehr als nur um den Protest gegen das Abtreibungsrecht, das nach Wunsch der Kirche Abtreibungen auch im Falle von Vergewaltigungen, Gefahr für das Leben der Mutter und nicht überlebensfähigen Kindern verbieten soll. In ganz Polen protestieren seit 10 Tagen jeden Tag mehr als 1 Million Menschen. Und das in Zeiten von Corona. Natürlich ist dies in epidemiologischer Hinsicht bedenklich. Aber so wie es gerade in Belarus unverzichtbar ist, so wie es bei den Montagsdemonstrationen in Leipzig unverzichtbar gewesen wäre, wenn es damals eine Pandemie gegeben hätte, so ist es auch aktuell in Polen unverzichtbar. Nicht wenige Protestierende sagen: „Lieber sterbe ich an Corona, als dass ich in Unfreiheit weiterlebe.“ Auch die Oma meiner Frau hat uns ausdrücklich dazu aufgefordert, auf die Demonstrationen zu gehen. Sie habe nicht die deutsche Besatzung im Zweiten Weltkrieg, Stalins Regime und den Kriegszustand in den 80ern überlebt, um sich jetzt zurückzuhalten. Ginge es ihr körperlicher besser, wäre auch sie auf der Straße bei den Protesten. So weit es ging, habe ich aber größtmöglichen Abstand gehalten, mich die meiste Zeit über unter die Pressefotografen gemischt und die üblichen Vorsichtsmaßnahmen eingehalten.


#35

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Zuletzt geändert von mein Krakau am Mo 2. Nov 2020, 15:36, insgesamt 4-mal geändert.

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BeitragVerfasst: Mo 2. Nov 2020, 13:24 
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Auch die Gegenproteste möchte ich zeigen. Auf der #36 sind Betende mit Rosenkranz vor der Adalbertkirche zu sehen, geschützt von der Polizei. Die sehen allerdings harmloser aus, als sie sind, weswegen ich auch die #37 vor der Marienkirche anfüge, wo es deutlicher wird. Unter den Personen sind auch die angesprochenen Hooligans und Schläger, die beiden jungen Männer mit den Halstüchern über dem Mund sind stadtbekannte Neonazis, das Foto war für mich nicht ungefährlich. Das ist einer der Gründe für das anfangs aufgeführte Zitat des Dominikanermönches. Ein nicht unerheblicher Teil der Katholischen Kirche in Polen arbeitet offen mit gewalttätigen Faschisten zusammen, es gibt Predigten, bei denen zum Ausmerzen von Schädlingen aufgefordert wird.


#36


#37

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Zuletzt geändert von mein Krakau am Mo 2. Nov 2020, 15:20, insgesamt 2-mal geändert.

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BeitragVerfasst: Mo 2. Nov 2020, 13:25 
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Aufhören möchte ich nicht mit solchen Leuten, sondern stattdessen mit einem Happening vor dem Adam-Mickiewicz-Denkmal, bei dem es um die Gefahr für das Leben von Frauen geht, wenn illegale Hinterhof- oder verzweifelte Selbstabtreibungen durchgeführt werden. Interessanterweise zeigen soziologische Studien, dass der mit großem Abstand größte Teil der Abtreibungen in Polen von praktizierenden Katholikinnen aus einem ländlichen, armen Umfeld durchgeführt wird, nicht aber im liberalen, städtischen und wohlhabenderen Umfeld.


#38

Fotografisch war es für mich eine interessante Erfahrung, aber meine Ambitionen waren höher als meine Endergebnisse. Ich hoffe, dennoch die Challenge bestanden zu haben.

Tut mir noch einen Gefallen und seht dies als meine ganz persönliche Meinung und meine ganz persönliche Darstellung dessen, was gerade in Polen vor sich geht. Kommentiert die Fotos, meine Herangehensweise, aber zieht bitte keine politischen Vergleiche zu Deutschland, diskutiert bitte nicht über das Für und Wider von einem strengen Abtreibungsrecht oder über die Moral von Demos zu Coronazeiten. Vielen Dank! :cap:

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Zuletzt geändert von mein Krakau am Mo 2. Nov 2020, 14:22, insgesamt 2-mal geändert.

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