dl4mw hat geschrieben:
Jetzt wo du es sagst. Ja tatsächlich, von den Serien wurden Bilder weggelassen und die Auswahl kann ich nicht so nachvollziehen. Aus meiner Sicht wurden da durchaus auch fotografisch und inhaltlich nicht immer unbedingt die besten und aussagekräftigsten ausgewählt. Insgesamt finde ich das jetzt nicht so schön, zumal mir ein entsprechender Hinweis, dass hier was fehlt, komplett entgangen ist.
Ja ein entsprechender Hinweis darauf, dass nur ein Auswahl an Bildern gezeigt wird, war im Willy Brandt Haus auch nicht zu finden. Ich hätte ihn auch für dringend notwendig gehalten. Immerhin werden unter Umständen so die Aussagen oder Qualität der Serien verändert.
dl4mw hat geschrieben:
Nun, wir wissen, dass ein Flugzeug abgestürtzt ist und dass da massig Leichen- und Leichenteile rumgelegen haben. Wir wissen, dass auf dem Maidan Leute übelst erschossen wurden. Jetzt sehe ich die Bilder - und ja, die sind schon heftig - aber das transportiert keine neue schockierende Info über die Welt, sondern macht nur einiges deutlicher.
Ich finde es schon richtig, dass man mal mit mehr Realität konfrontiert wird, als einem das Qualitätsfernsehen zugesteht.
Schon klar, die dokumentierte Geschehnisse waren so gut wie alle bekannt. Allerdings geht es mir so, dass ich bei gezeigten Nachrichtenbildern mich eher mental distanziere, es wird ja innerhalb kürzester Zeit über eine ganze Menge schockierender Ereignisse berichtet. Häufig wird auch auf allzu verstörende Bilder verzichtet.
Bei Fotos ist das ganz anders. Ich habe alle Zeit der Welt diese Bilder zu betrachten. Automatisch springt dann noch die Fantasie an und man fragt sich, was drumherum, davor und danach geschehen ist. Dadurch machen mich Fotos viel betroffener als Videos. Sie transportieren einfach viel mehr Emotionen und Eindrücke.
Dass diese Fotos gemacht und veröffentlicht werden, halte ich auch für enorm wichtig.
dl4mw hat geschrieben:
In Jena stehen die Bilder einfach so herum, die sieht jeder, auch jedes Kind. Wie gesagt, in den letzten Jahren waren die besonders heftigen in einem inneren Ring abgetrennt. Aber wenn man dran schreibt "nicht für Kinder" kann man mal raten, wer da zuerst rein rennt.
Ich persönlich halte jeden für tauglich, sowas zu sehen, der im Fernsehen einen Krimi oder einen Actionfilm sieht. Die Bilder wirken sehr eindringlich, man muss da noch lange dran denken und lange drüber nachdenken. Aber gerade diese Reflektion fehlt doch oft in der Gesellschaft.
Ich halte die Ausstellung zumindest für ältere Kinder tauglich, finde aber auch unbedingt, man kann das nicht unbegleitet verarbeiten lassen.
Aber ja, so eine Ausstellung kann einen verändern. Zumindest nachdenklicher machen. Aber ja, dafür ist sie da.
Die Macher der Ausstellung hatten es in der Vergangenheit auch drauf, sich für das Teaserplakat (dass überall für die Ausstellung wirbt) ein Bild zu nehmen, von dem selbst mir wegen der Mischung aus fotografischer Ästhetik und gezeigte Brutalität(sauswirkung) echt übel wird. Da bin ich auch zweigeteilter Meinung drüber.
Ehrlich gesagt frage ich mich, ob ein Einkaufszentrum wirklich der richtige Ort ist, solche Bilder auszustellen. Irgendwie ist es doch zynisch... Und dann noch mit den brutalsten Bildern offen zu werben ist mehr als fragwürdig.
Es wäre doch bedeutend angebrachter diese Bilder in einer Galerie zu zeigen, über die sicher auch Jena verfügt. Dadurch konfrontiert man nur Personen mit diesen Fotos, die sich bewusst dafür entschieden haben, sich diese Fotos anzuschauen. Man geht auch nicht das Risiko ein, dass "freilaufende" Kinder sich in die nicht für Kinder geeignete Abteilung absichtlich oder unabsichtlich verirren. Man muss demnach auch keine Fotos aus der Ausstellung herausnehmen, weil sie einem Laufpublikum nicht zuzumuten sind.
Ob jeder mental geeignet ist diese Bilder zu verarbeiten, der auch Actionfilme konsumiert, wage ich zu bezweifeln

Der Mensch ist schon in der Lage zu abstrahieren und Realität und Fiktion voneinander zu unterscheiden. Wenn dem nicht so wäre, wären ja tatsächlich alle Ego Shooter Spieler Amokläufer

Diese Fotos sind Abbilder der Realität und dadurch eindringlicher als die 10. Explosion eines Autos bei Alarm für Cobra 11.
Wie du schon schreibst: Man muss lange daran denken und nachdenken um diese Bilder zu verarbeiten. Dazu sind aber lange nicht alle Menschen in der Lage.
Ich denke wir hängen uns gerade am Kinderbegriff auf. Für mich sind Kinder Menschen, die zwischen 3 und 12 Jahre alt sind. Ich habe gestern meine 10jährige Nichte in spe gesehen, ihr würde ich diese Bilder auf keinen Fall zumuten.
Bei Jugendlichen ist es natürlich eine andere Sache. Je nach Entwicklungsstand können diese ja durchaus (mit erwachsener Hilfe) reflektieren und verarbeiten. Die allermeisten sind dazu aber nicht vor 16 Jahren fähig.
Meiner Meinung nach muss so eine Ausstellung einen sogar verändern und zum Nachdenken anregen, sonst ist sie obsolet.
dl4mw hat geschrieben:
Nun, das ist ein Contest, also ein Wettbewerb und es gibt Siegerbilder. Da kann man sicher schon die Bilder voten. Es ist ja auch nicht so, dass man mal einfach was abscheuliches fotografiert und es hin hängt. Das ist kein rotten.com oder anderes Sammelsurium fotografierter Grausamkeiten. Es ist fotografisch großes Kino und eben auch mal mehr oder weniger gelungen.
Für die einzelnen Fotos hast du sicher recht. Wobei ich die Wirkung eines Reportagefotos immer über die technische Perfektion und Ästhetik stellen würde. Ich würde allerdings nicht von den einzelnen Fotos auf die ganze Ausstellung schließen. Ich denke das würde dem Gedanken dieser Ausstellung nicht gerecht werden.
dl4mw hat geschrieben:
Ich brauche immer einige Tage, um die Bilder innerlich zu reflektieren. Aber das macht eine gute Ausstellung ja auch aus.
Ganz genau

HaDi hat geschrieben:
Mir ging es während der Ausstellung so, dass ich die Geschichten beeindruckend fand,
aber die Qualität und Aussagekraft der Fotos eher dem Ort und Zeit ihrer Entstehung
als der Handwerkskunst der/s Fotographin/en geschuldet empfunden habe.
-- Respekt für alle die sich solchen Situationen aussetzen --; keine Frage !!!
Ohne Frage, technisch perfekt waren die wenigsten Aufnahmen und einige Fotos haben nur durch die Hintergrundgeschichte gewirkt. Ich würde aber behaupten, dass dies durchaus so gewollt war. Als Beispiel wäre hier die Portraitserie von
anzuführen. Schaut man sich diese Serie denkt man an eher alltägliche und komplett normale Personen, die in den USA ihr Dasein fristen. Mit der Hintergrundinfo jedoch, dass es sich um Einwohner eines Dorfes handelt, das ausschliesslich von verurteilten Sexualstraftätern bewohnt wird, bekommen die Bilder doch eine ganz andere Aussage. Ich musste zumindest erstmal mein Bild von Sexualstraftätern hinterfragen.
Aber klar bei einigen Fotos war es durchaus so, dass die Leistung des Fotografen darin bestand zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein und den Auslöser zu drücken. Aber auch so wiesen die meisten Bilder eine enorme Wucht auf.
HaDi hat geschrieben:
Vielleicht liegt es ja aber auch daran dass, ich das "Leid der Welt" durch Worte und nicht durch Bilder "empfangen" habe,
Folter wurde zwar in der Ausstellung nicht angesprochen, aber Bücher wie
https://de.wikipedia.org/wiki/Ein_Mann_%28Roman%29lassen dann doch so manches Fotos verblassen.
Ohne Frage können gut gewählte Wörter noch mehr Schlagkraft besitzen als Fotos. Immerhin entwirft ja jeder Leser für sich im Kopf Bilder zu diesen Wörtern.