Sa 25. Dez 2021, 12:37
Krakau ist mehr als nur Altstadt, Burg und Jüdisches Viertel und hält noch ein paar mehr Architekturstile als Romanik, Gotik, Renaissance, Jugendstil und Klassizismus bereit.
Vorgestellt hatte ich Nowa Huta im Forum bisher noch nicht, meine ich. Der Stadtteil wurde als stalinistische Satellitenstadt bei Krakau hingebaut und weist eine interessante Geschichte voller Gegensätze auf. Eigentlich könnte ich Stunden darüber schreiben, bin auch oft zu Nichtcoronazeiten mit Gruppen dort, heute aber nur kurz in Stichpunkten:
- Die Bauern der Umgebung sollten zu sozialistischen Arbeitern gemacht werden. Geklappt hat es nicht ganz, in die modernen sozialistischen Wohnungen wollten sie unbedingt ihre Kühe mitnehmen, was wiederum sozialistische Fotografen und Filmteams vor Herausforderungen gestellt hat, schließlich machen sich Kühe nicht so gut in Dokus und Nachrichtenbeiträgen über die feierliche Eröffnung der Planstadt, die doch als Beispiel für die Neue Sozialistische Welt rund um den Globus geschickt werden sollten.
- Auch hat es nicht ganz mit der Begeisterung für den Sozialismus hingehauen. Tausende Arbeiter der einst zweitgrößten Stahlhütte der Welt wollten doch lieber das Opium fürs Volk in Form von Kirchen, protestierten, später machten sie Nowa Huta dann neben Danzig zu einem der wichtigsten Orte für die Gewerkschaft Solidarność.
- Nach der Wende verarmte der einst gepäppelte Stadtteil, ein langsamer Aufschwung ist erst in den letzten Jahren zu sehen.
- Stadtplanerisch (einer der Gründe, warum ich mir eine Drohne anschaffen will), architektonisch und streetfotomäßig ist Nowa Huta super interessant, außerdem gibt's im Sommer hier das zweitbeste Eis von Krakau.
- Interessant, aber auch schlimm zu sehen ist, dass die sozialistische Trabantenstadt des unmenschlichen Diktators Stalin dennoch menschlicher ist, wenn es um Lebensqualität und Abstände sowie Freiraum geht, im Vergleich zu den in den letzten Jahren gebauten Bettenburgen, bei denen Abstände zwischen Wohnblocks oft nur noch 4 Meter betragen.
In diesem Jahr ist hier die Weihnachtsdeko sehr schön geworden. Ich fand auch das Orange und Gelb einen interessanten Kontrast zu den wie vor 70 Jahren grün leuchtenden Straßenlampen und den grauen Wohnblöcken im Stil des Sozialistischen Realismus.
Stalin würde sich angesichts der Weihnachtsdeko in seiner Planstadt Nowa Huta wohl im Grabe umdrehen, umso mehr gefällt sie mir deswegen.
Auf der #1 ist die Rosenallee zu sehen, früher die Prachtstraße, auf der bis zur Wende ein riesiges Lenindenkmal stand, das nun in einem schwedischen Vergnügungspark zu sehen ist.
#1
Auf der #2 und #3 ist der Zentralplatz zu sehen, an dem 5 Achsen zusammenführen. Ich habe den Weihnachtsbaum von der einen und der anderen Seite fotografiert, genau um 180° gedreht ist er also zu sehen.
#2
#3
Auf der #4 sieht man noch ein Neonüberbleibsel aus sozialistischen Zeiten als Kontrast zur Christbaumkugel. Neonreklame war im sozialistischen Polen ein ganz großes Ding.
#4
Zuletzt geändert von mein Krakau am Sa 25. Dez 2021, 13:13, insgesamt 2-mal geändert.