Also erst einmal, respektiere ich natürlich Deine Meinung. Wir empfinden und denken natürlich alle anders.
Jaak hat geschrieben:
Gegen das Fotografieren von Bettlern, Betrunkenen, Prostituierten, Junkies usw ist per se nichts einzuwenden. Wenn es mit Wärme und Nähe geschieht. Wie zum Beispiel bei Anders Petersen. Wärme und Nähe lassen sich mit dem Tele allerdings nur schwer verwirklichen.
Ich stimme Dir im ersten Teil absolut zu. Trifft aber nicht nur bei diesen Personengruppen zu, man sollte generell niemand "zur Schau" stellen, sich selbst auch fragen, ob das Bild dem abgebildeten Menschen gerecht wird. Zur Schau stellen, der Lächerlichkeit preisgeben, in peinlichen Situationen ablichten, Sensationslüstern etc. all das geht natürlich gar nicht.
Aber zu Deinem zweiten Einwand.
Jaak hat geschrieben:
Menschen mit dem Tele abzuschießen finde ich persönlich nicht so toll. Bei den resultierenden Bildern ist der leere Raum zwischen Fotograf und Objekt (sagen wir lieber Subjekt bei Menschen) für den Betrachter schwer zu überbrücken und für mich visuell ziemlich abtörnend. Man sieht den Bildern die Distanz einfach an. Näher dran ist immer besser. So fehlt jede Interaktion zwischen fotografiertem Subjekt und Fotograf. Und sei es nur der Blick in die Kamera. Porträts mit leichtem Tele sind natürlich etwas anderes. Gegen das Fotografieren von Bettlern, Betrunkenen, Prostituierten, Junkies usw ist per se nichts einzuwenden.
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Wärme und Nähe lassen sich mit dem Tele allerdings nur schwer verwirklichen.
Hm, ich finde Wärme und Emotionen können auch mit einem Tele Raum haben, wenn die Person nämlich so ist, wie sie ist, ein Mensch.
Wenn ich da mit einem 50er ankomme und der Person auf den Leib rücke, dann wird die Person natürlich das bemerken. Menschen achten dann auf einmal auf mich und geben sich meistens nicht mehr so natürlich, als wenn sie sich unbeobachtet fühlen. Viele Spielen dann etwas vor der Kamera, das sie nicht sind. Sie wollen ja in einem möglichst guten Licht erscheinen.
Der eigentliche Augenblick verschwindet - der Mensch schaut in die Kamera, lächelt, obwohl ihm bis eben nicht zum lächeln war.
Bild #2.
Die zwei Personen haben sich die ganze Zeit aufgeregt unterhalten, habe die Szene ja beobachtet. Einen kurzen Augenblick war die linke Person jedoch mit seinem Yoghurt beschäftigt und hat der rechten Person Raum gegeben, mal in sich zu gehen. An irgendwas muss er erinnert worden sein oder einfach gedacht haben, der ihm dieses nach innen gekehrte Lächeln auf das Gesicht gezaubert hat. Ein paar Sekunden später hatte die rechte Person wieder völlig andere Gesichtszüge und war wieder voll bei der linken Person. Einen kurzen Augenblick war er - die rechte Person - aber in seine Welt, weit weg von der Unterhaltung die er wenige Sekunden vorher gehalten hat. Wäre ich da nah ran, beide hätten verlegen in die Kamera gegrinst, fertig.
Aber, so empfindet eben jeder anders. Nicht falsch verstehen, es gibt jede Menge toller richtig guter Portraits und auch diese Menschen-Gesichtern sieht man an, dass sie ein ganzes Menschenleben zu erzählen haben. Aber manchmal ist es vielleicht besser, wenn die Person "natürlich" bleiben darf im hier und jetzt und nicht von mir dabei abgelenkt wird. Eventuell empfindest Du ein Tele auch "unfair" gegenüber den Personen - denn sie wissen ja nicht, dass sie gerade abgelichtet werden.
PS: sorry etwas OT. Ich habe mir tatsächlich überlegt kleine Visitenkärtchen zu machen und nach einer Bilderserie auf die Menschen zuzugehen. Ihnen dann sagen, dass sie abgelichtet wurden und ob das ok ist. Auf dem Visitenkärtchen ist dann meine Mailadresse, sie können dann das Bild haben als Kopie und evtl. auch widersprechen. Oder findet Ihr das eine völlig verblödete Idee?
