Fotoreportagen, Bilder von nichtalltäglichen Orten, Strände, Meer und Gebirge
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Das Ende eines Idylls

So 31. Jul 2022, 23:12

Moin zusammen,

keine Bange, das wird keine Kapitalismuskritik. Dass Massentourismus den Orten hilft, Jobs anzubieten und eine gute Infrastruktur aufzubauen, ist mir klar. Ich bin auch nicht übertrieben ökologisch angehaucht. Aaaaber: Wenn ein Ort mit ca. 450 Einwohnern gleichzeitig der Hafen für Kreuzfahrtschiffe mit > 4.000 Gästen (zzgl. Besatzung :shock: ) ist, dann verändert das, vorsichtig ausgedrückt, das Stadtbild:

Bild

Sieht für mich aus, als würden die Häuser gefressen. Das hat etwas metaphorisches :ommmh:

Fehlt nur noch Apres-Ski-Musik, dann ist das Grauen komplett.

Liebe Grüße
Rainer

Re: Das Ende eines Idylls

Mo 1. Aug 2022, 05:36

Ich kann nicht sagen das mir das Bild gefällt aber es technisch gut und weist sehr gut auf die beschriebene Problematik hin.


Weiterhin viel Spaß im Urlaub.

Re: Das Ende eines Idylls

Mo 1. Aug 2022, 08:07

Manchmal geht meine Fantasie ja mit mir durch: Ich habe mir gerade ein Bild vorgestellt, wo ein solcher Pott im Hafen von Bad Malente liegt... :ugly: :rofl:

Auch von mir noch einen erholsamen Urlaub

Michael

Re: Das Ende eines Idylls

Mo 1. Aug 2022, 09:01

Hallo Rainer, dasselbe habe ich kürzlich auch gedacht. Da war der Ort aber größer, hieß Ålesund und musste 3 Kreuzfahrer verkraften. Dein Bild lässt vermuten, dass Du auch in Norwegen oder Schweden urlaubst?

Re: Das Ende eines Idylls

Mo 1. Aug 2022, 09:06

ja Reiner in manchen Gegenden nimmt der Massentourismus einfach überhand es ist nicht mehr
schön die Orte sind einfach nur noch überlaufen und hat mit der Schönheit von Gegenden nichts mehr zu tun.
LG Gerd

Re: Das Ende eines Idylls

Mo 1. Aug 2022, 09:46

«Der Tourismus zerstört das, was er sucht, indem er es findet», schrieb Hans Magnus Enzensberger, Ende der fünfziger Jahre.

Es ist die Frage, ob es dieses vermeintliche Idyll überhaupt gibt oder je gegeben hat.
Ich bin gerade erst aus Norwegen zurück. Einem sehr modernen Land mit einem überaus hohen Lebensstandard. Aufgrund der geringen Bevölkerungsdichte und der besonderen Lage und Geografie gibt es dort eine beeindruckende Natur, die der Hauptgrund für meinen Urlaub dort war und wieder sein wird.
Es gibt auch dieses "Idyll". Zumeist wird in Norwegen auch bei Neubauten versucht, diese in die Natur zu einzupassen oder im Sinne der historischen Vorbilder zu gestalten. Deshalb sehen Bootshäuser und Fischerhäuschen noch immer genau so idyllisch aus wie seit Jahrhunderten.

Beispiel:
Auf den Lofoten sind die alten Rudererhäuser als Ferienwohnung sehr beliebt. Es gibt viel zu wenig davon, um die Nachfrage zu bedienen. Deshalb werden dort "alte Rorbuer" in großer Zahl neu errichtet, mit Betonfundament und zeitgemäßer Einrichtung, aber in Hinsicht auf Ort und Erscheinungsbild genau so wie in alten Zeiten. Man kann das Idyll nennen und ich finde das prima - besser jedenfalls als irgendwelche Bettenburgen.
Selbstverständlich gibt es keine Ruderer mehr, die zwecks Fischfang mit Paddelbooten auf die Hohe See hinaus fahren. Das wird mit modernen Fangfabrikschiffen und ähnlichem gemacht. Insofern ist das Idyll schon lange keines mehr - oder es war nie eines.

Kreuzfahrtschiffe liegen voll im Trend, wenngleich Corona die allzu hoch fliegenden Träume der Reeder etwas auf den Boden gezogen haben. Und Kreuzfahrt läuft genau so ab, wie dein sehr aussagekräftiges Bild es vermuten lässt. Ein riesiges Schiff fährt einen kleinen Hafen an, der oft erst einmal für die Kreuzfahrtschiffe vergrößert werden musste. Es beginnt das Animationsprogramm mit Landausflug, Schlauchbootsfahrten usw. . Das habe ich mir in Åndalsnes und anderen Orten angesehen. An der Mole stehen dann schon die Busse bereit, um die Passagiere zum Trollstigen zu bringen. Eine Stunde Aufenthalt am Rastplatz oben am Trollstigen, mit Cafe und Souvenierladen natürlich. Die Leute wollen das. Die Gemeinde unterstützt das. Ich möchte das nicht verdammen. So bleiben all die anderen Orte in der Umgebung verschont und alle sind zufrieden. Es kommt viel Geld an und die Kreuzfahrttouristen bekommen genau das, was sie sich gewünscht haben - und zerstören es.

Was wäre die Alternative? In letzter Konsequenz wäre es die Einstellung jeglichen Tourismus, denn: Wo wollten wir eine Grenze ziehen?

"Die Reise gleicht einem Spiel; es ist immer Gewinn und Verlust dabei und meist von der unerwarteten Seite." Johann Wolfgang von Goethe

Re: Das Ende eines Idylls

Mo 1. Aug 2022, 09:58

Das Foto ist top, die Aussage ist selbsterklärend. :bravo:

Ich denke, dass Du auch noch einige idyllische Fotos gemacht haben wirst bzw. machen wirst. :ja:

Für mich ist die ganze Tourismusfrage natürlich auch eine, die mich direkt betrifft. Als Krakauer Bürger konnte man in den letzten Jahren aufatmen, als Stadtführer war es bei den wenigen Führungen auch entspannter, aber auf meinem Konto sieht es jetzt auch etwas idyllischer aus, abgeschieden von den massenhaften Finanzströmen. :mrgreen:

Re: Das Ende eines Idylls

Mo 1. Aug 2022, 21:17

Herzlichen Dank für Eure guten Wünsche und die sehr differenzierten Kommentare

Kiteflieger hat geschrieben:Manchmal geht meine Fantasie ja mit mir durch: Ich habe mir gerade ein Bild vorgestellt, wo ein solcher Pott im Hafen von Bad Malente liegt... :ugly: :rofl:

You made my day :dasisses:
Das Bild werde ich nicht mehr aus dem Kopf bekommen, wie sich die Aida von Kiel kommend durch die Schwentine kämpft, um dann auf dem Malenter Dieksee zu wenden… herrlich :rofl:

@Rudi: Vielen Dank für Deine Sichtweise. Du hast natürlich Recht, die Welt hat sich weiterentwickelt. Neben Jägern und Sammlern gibt es jetzt natürlich viele, viele Berufe auch rund um das Thema Tourismus. Die Kunst liegt darin, die unterschiedlichen Interessenlagen vernünftig auszutarieren. Fairer Weise möchte ich erwähnen, dass das gezeigte Schiff zumindest nicht mit Schweröl im Hafen liegend seinen Strom erzeugt – ein gewisses Umweltbewusstsein gehört offenbar auch zu modernen Kreuzfahrtschiffen :ja:

pentidur hat geschrieben:Ich möchte das nicht verdammen. So bleiben all die anderen Orte in der Umgebung verschont und alle sind zufrieden.

Es ist Segen und Fluch gleichermaßen :ja: Ich gebe zu, dass ich die Annehmlichkeiten einer besseren Infrastruktur zu schätzen weiß. Ist schön, die Kaffemühle nicht durch die Pampa tragen zu müssen, sondern auf der Hütten eine gute Versorgungslage vorzufinden. Dafür ist man halt nicht alleine oder mit wenigen anderen Wanderern auf dem Gipfel, sondern links und rechts werden Drohnies geschossen (Selfies reichen heutzutage ja nicht mehr aus). Tja, sich über die ganzen Touristen beschweren, und selbst einer sein, das hat eine gewisse Ironie. Wie die Geschichte mit den hundert Geisterfahrern…

mein Krakau hat geschrieben:Ich denke, dass Du auch noch einige idyllische Fotos gemacht haben wirst bzw. machen wirst. :ja:

Für mich ist die ganze Tourismusfrage natürlich auch eine, die mich direkt betrifft. Als Krakauer Bürger konnte man in den letzten Jahren aufatmen, als Stadtführer war es bei den wenigen Führungen auch entspannter, aber auf meinem Konto sieht es jetzt auch etwas idyllischer aus, abgeschieden von den massenhaften Finanzströmen. :mrgreen:

Sei gewiss, paar Bilder werdet Ihr aushalten müssen, sobald ich wieder im Lande bin :mrgreen:

Drücke Dir die Daumen, dass sich die Nachfragesituation und auch die Anreisemöglichkeiten bald normalisieren. In Norwegen scheint Corona überhaupt keine Aufmerksamkeit mehr zu erhalten. Allgemeiner Rudelbums, Abstandsregeln gibt’s nicht mehr, und Masken sucht man eh‘ vergebens… Gut, in der Natur ist das egal, aber im ÖPNV sitzt man Schulter an Schulter, möge das mal alles gut gehen… :shock:

Liebe Grüße
Rainer

Re: Das Ende eines Idylls

Di 2. Aug 2022, 11:28

Bronco hat geschrieben:... Fairer Weise möchte ich erwähnen, dass das gezeigte Schiff zumindest nicht mit Schweröl im Hafen liegend seinen Strom erzeugt – ein gewisses Umweltbewusstsein gehört offenbar auch zu modernen Kreuzfahrtschiffen :ja:
...


Das werden die Norweger wahrscheinlich auch verbieten und entsprechend Bodenstrom bereithalten. Den gibt es in Norwegen ja auch im Überfluss. Die Sachlage ist in Venedig ja eher unschön.
Auch dass solche modernen Schiffe immer noch größtenteils mit Schweröl angetrieben werden, ist alles andere als schön.
Das Foto transportiert jedenfalls gut deine Absicht. :2thumbs:

Re: Das Ende eines Idylls

Di 2. Aug 2022, 22:11

Dankeschön, Heribert!

Heribert hat geschrieben:Den gibt es in Norwegen ja auch im Überfluss.

In der Tat. Strom und Wasser, und auch Strom aus Wasser, sind augenscheinlich nicht die Engpassfaktoren.
Selbst in meinem beschaulichen Eutin kommt der von den Stadtwerken importierte Ökostrom aus Norwegen :ja:

Werde auf der Rückreise einfach welchen mitnehmen :rofl:

Liebe Grüße
Rainer
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