Heute ist mir ein schier unglaubliche Geschichte zu Ohren gekommen. Das Objektiv, das Ihr hier seht, hatte eine Bundeswehr-Fotografin bei einem Termin im Berliner Olympiastadion dabei. Eigentlich hätte diese Linse gar nicht da sein dürfen. Sie war dazu bestimmt, in Afghanistan von einem Panzer zu Brei verarbeitet zu werden.

Es ist ein Canon 70-200/2.8 USM, ein anerkannt gutes Objektiv, das von vielen Profis verwendet wird und auch nicht gerade billig ist (Neupreis für die aktuellen Modelle um die 2000 Euro, gebraucht kaum unter 800-900 zu kriegen, schätze ich mal). Auch die Bundeswehr nutzt es im Einsatz. Mit diesem Exemplar haben die Presseleute des Heeres in Masar-e Sharif in Afghanistan fotografiert. Bis zum Abzug des Großteils der Soldaten und des Materials: Waren in Spitzenzeiten noch um die 5000 deutsche Soldaten am Hindukusch, sind es heute noch knapp 700. Entsprechend viel Material hat sich angesammelt in mehr als 13 Jahren Einsatz in Afghanistan. Und das muss zurück nach Deutschland – oder auch nicht. Es wird genau berechnet, was sich lohnt, per Luftfracht oder Bahntransport über Russland nach Deutschland zurückgebracht zu werden, und was nicht. Sehr viel Material wird vor Ort verschrottet oder an die Afghanen übergeben. Das geschieht, wenn die Kosten für den Transport in die Heimat den Restwert des Materials übersteigen.
Irgendeiner emotionsloser Controller im Verteidigungsministerium muss dabei ermittelt haben, dass es sich nicht lohnt, die Foto-Ausrüstung der Presse-Teams auf den Heimweg zu schicken. Und so landet hochwertiges Foto-Equipment im Schredder. Pardon, es wird nach Bundeswehr-Facon vernichtet: Man legt es auf den Boden und lässt ein Kettenfahrzeug drüber rollen. Da ist die Bundeswehr ziemlich humorlos. Nach Angaben der Fotografin werden nicht nur Objektive vernichtet, auch Kameras Typ Canon EOS 5 Mark irgendwas werden platt gemacht. Als sie von einem Kollegen hörte, was da gerade passiert, hat sie ihm gesagt, so viel wie möglich von dem Krempel in sein persönliches Handgepäck zu verstauen (da gelten für Bundeswehr-Flüge übrigens die gleichen Restriktionen bezüglich Platz und Gewicht wie für den zivilen Bereich). So hat sie das 70-200er retten können.
Irgendwie will das alles noch nicht in meinen Kopf: Ich verstehe es, wenn ein alter VW T4 oder Mercedes Wolf, der im Camp Marmal zehn Jahre vollkommen verheizt wurde, vor Ort verschrottet oder den Afghanen überlassen wird, weil der Rücktransport von den schweren Dingern einfach zu teuer ist. Ich verstehe es, wenn Waffen und Munition nicht einfach an die Afghanen übergeben, sondern vernichtet werden. Aber hochwertige Objektive... Buchhalterisch sind sie wahrscheinlich längst abgeschrieben, aber dass die Dinger einen ziemlich hohen Restwert haben und noch jahrelang verwendet werden können, darauf kommen die Zahlendreher anscheinend nicht.
Eines verstehe ich beim besten Willen nicht: Wenn man das Material unbedingt loswerden will, warum übergibt man es nicht den Afghanen? Die pro-demokratischen Kräfte in dem Land tun sich schwer genug, warum nicht freie Journalisten mit dem Equipment ausstatten? Oder lokale NGO´s? Die würden sich mächtig freuen über so eine Spende und könnten sie auch sinnvoll einsetzen.
Tja, aber das ist leider Bundeswehr-Bürokratie.
Zum Glück ist es nur Canon-Equipment. Wäre es Pentax... das Herz würde mir noch viel mehr bluten und ich würde direkt die nächste Einsatz-Tour nach AFG buchen und so viel wie möglich retten ;-)
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Gruß Yann