Mo 21. Jan 2019, 11:15
Danke für so viele freundliche Rückmeldungen!
Und schön zu lesen, dass ich mit der Hochspannung zwischen "Kind soll lernen, was es wirklich interessiert" und "Wäre doch beruhigend, wenn Kind einen sicheren Verdienst hätte" nicht allein bin. Naja, unser Sandwich-Kind hat es in die Worte gefasst: "Alle Eltern sind Feiglinge." Das konnte ich nicht leugnen.
Ja, Korea - wegen der Orchideenfächer hatte ich vor fünf Jahren schon das Vergnügen in Tokio. Und doch habe ich Busan ganz anders erlebt. Natürlich, das bunte LED-Geflimmer, die Popmusik in Wahnsinnslautstärke, die einem aus den chicen Geschäften entgegen knallt, die gestylten jungen Leute, der sicher auch der Erdbebensicherheit geschuldete brachiale Betonbaustil - das alles ähnelt sich. Trotzdem: Busan hatte eine andere Atmosphäre.
Wir haben viel mehr Armut gesehen als in Tokio, und viele, vor allem ältere Koreaner wirkten auf mich erheblich ernster und sorgenvoller als die Japaner, die eher gelassen auf traten. Die jungen Leute in Busan waren offener und neugieriger. Da war sogar mal ein kurzer small talk im Aufzug drin.
Als Westler waren wir wirkliche Exoten und wurden entsprechend intensiv gemustert. Dieser Status führt dazu, dass die wenigen Amerikaner und Europäer einander auf der Straße häufig freundlich zunicken. In Tokio wurden wir auch gemustert, aber erheblich unauffälliger als in Busan. In Tokio habe ich erst nach zwei, drei Tagen herausgefunden, wie und wann Japaner starren. Wenn ich geguckt habe, haben sie sofort weg geguckt. In Busan haben wir uns mit manchen Einheimischen geradezu ein battle geliefert, wer zuerst weg guckt.
Vieles davon mag an der Differenz zwischen der Weltstadt Tokio und dem im Vergleich dazu provinziellen Busan liegen. Aber da wir orchideenfachbedingt auch mal koreanische und japanische Freunde der Kinder kennen gelernt haben, vermute ich doch einen Mentalitätsunterschied. Die Koreaner waren tatsächlich direkter.
Nun denn - weiter mit Tag zwei!
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In Busan soll es das größte Kaufhaus der Welt geben, habe ich gehört. Da hin haben wir es nicht geschafft. Aber von der Dachterrasse dieser Mall hatten wir einen tollen Ausblick über die Stadt und Teile des Hafens. Die Firma Lotte ist übrigens ein großer Mischkonzern in Südkorea. Wir haben Hochhaussiedlungen, Burger-Restaurants und kleine Nahversorgungsgeschäfte mit diesem Namen gefunden, und es soll weitaus mehr Geschäftsbereiche geben.
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Die Koreaner scheinen farbenfrohe Dächer zu lieben (und manchmal auch Häuser; davon später mehr)
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Auf der Dachterrasse ...
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... finden sich verschiedene Photozones, also Kulissen, vor denen man posieren kann, um sich ablichten zu lassen. Diese hier ist natürlich für Paare und Pärchen.
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Diese hier scheint dann eher für Betriebsausflüge gedacht zu sein.

Auch wenn ich oben was über die oft ernste, vielleicht sogar sorgenvolle Ausstrahlung vieler Menschen geschrieben habe, offenbar haben sie eine Menge Sinn für schrägen Humor.
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Im Inneren der Shopping Mall. Die Ästhetik der Emojis, der Animes, manchmal auch der Mangas ist allgegenwärtig. Sie findet sich sogar in buddhistischen Tempeln. Davon später mehr.
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Der Busan Tower ist ein Wahrzeichen der Stadt. Da er auf einer Hügelkuppe steht, erreicht man ihn über Treppen ..
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... oder über eine Kette solch stylisher Rolltreppen.
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Vor dem Turm steht ein Tempel.
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Die Glocke wird mit dem daneben hängenden Baumstamm an geschlagen. Ich hätte sie gern mal aus probiert, aber der Zugang war mit Ketten ab gesperrt.
Eindrucksvoll ist natürlich die Gestaltung des Daches.
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Nach so vielen Eindrücken ist ein Imbiss nötig. Wir finden eine Filiale der Kette Paris Baguette, die französisches Flair verheißt. Wir bekommen globalisierten Café Latte, Cappuccino und Espresso, dazu in meinem Fall einen Berliner mit Füllung aus einer Paste von roten Bohnen. Dies Paste ist in asiatischen Süßspeisen offenbar allgegenwärtig und schmeckt wirklich gut, finde ich, nicht so quietschsüß, wie wir es hier so lieben.
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Weiter geht es ...
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... zur U-Bahn. Die Geleise sind mit Glaswänden ab gesperrt, deren Türen sich automatisch öffnen, wenn der Zug davor steht. Das ist eine Maßnahme der Suizid-Verhütung. Südkorea hat eine der weltweit höchsten Selbsttötungsraten. Man wird immer sehr nachdenklich, wenn man da U-Bahn fährt.
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Immer wieder finden wir Farbtupfer im Alltag so wie schon die bunten Hausdächer.
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Die U-Bahn (und danach ein Bus, in dem ich mich mit 1,82 m Körperlänge zwischen Boden und Decke ein spannen kann, sehr zur Freude eines kleinen Jungen, der seine ganze Familie auf mich aufmerksam macht) bringt uns in das Gamcheon Culture Village.
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Dabei handelt es sich um einen Stadtteil, der in den 50er Jahren während des Koreakriegs entstanden ist. Busan war die einzige größere Stadt, die nicht von den nordkoreanischen Truppen ein genommen wurde. Entsprechend viele Bürgerkriegsflüchtlinge haben sich da hin gerettet.
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Sie haben diesen Stadtteil zunächst als Barackenstadt gebaut.
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Heute hat er sich zu einem Künstlerviertel entwickelt.
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Man findet Ateliers, Galerien, Kunstgewerbeläden zu Hauf.
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Die Häuser wurden liebevoll in Stand gesetzt. Die Versorgung mit Wasser und Energie konnte modernen Standards angepasst werden. Dennoch merkt man natürlich überall, dass dieses Viertel aus bitterer Not entstanden ist.
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Die Enge, die fehlenden Straßen, das Ungeplante und Improvisierte machen heute den Charme des Viertels aus. Man bewegt sich auf Treppen und in verwinkelten Gässchen ...
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... und entdeckt hinter jeder Biegung eine neue Überraschung. Nur Pizzabringdienst, Möbelspediteur oder einfach nur verantwortlich für den wöchentlichen Großeinkauf möchte ich da nicht sein.
Wird fortgesetzt.
Zuletzt geändert von PanF am Mi 23. Jan 2019, 13:06, insgesamt 1-mal geändert.