Wie angekündigt hier also ein paar Eindrücke aus Georgien im Jahr 2012.
Leider hatte ich nicht so viele Möglichkeiten zum Fotografieren wie erhofft, aber das, was ich habe, möchte ich gerne mit Euch teilen, wenn es auf Interesse stößt.
Dabei sind viele der Bilder mehr oder weniger von dokumentarischem Charakter (weil einfach die Zeit zur Bildgestaltung fehlte).
Grundsätzlich ist Georgien ein Land der Gegensätze. Tiflis ist "dank" Präsident Saakaschwili im Umbruch begriffen. Er fährt einen strikten Westkurs - mit allen Nebenwirkungen.
Tiflis selbst spiegelt den Gegensatz zwischen Erneuerung und Altem wohl am besten wider. Die Hauptstraßen gleichen denen, die man aus westlichen Metropolen kennt. Manches übertrifft sogar westliche Metropolen - so kann man in Tiflis sicher viel besser Mode von Welt einkaufen als beispielsweise in München. Alles was Rang und Namen hat ist hier mit eigenen kleinen Filialen entlang der Einkaufsmeilen vertreten. So baut beispielsweise auch Apple gerade den ersten Store dort (so weit ich weiß, gibt es nicht einmal in Berlin einen Apple Store!!! (oder hat sich das mittlerweile geändert?)). Die repräsentativen Gebäude (von denen auch immer wieder neue entstehen) sind sehr schön beleuchtet. Geht man aber nur ein, zwei Straßen davon weg, befindet man sich nahezu in Gegenden, die ich fast schon als "Slums" bezeichnen würde. Klar, ich sehe das mit der Brille eines Westdeutschen, der im reichen Bundesland Bayern wohnt und bisher den europäischen Speckgürtel (inklusive Nordamerika) nicht verlassen hat, aber es ist wirklich alles ziemlich runtergekommen und kaputt.
Das gleiche Bild zeigt sich nahezu im ganzen Land – alles kaputt und verwahrlost. Seit Georgien 1991 die Unabhängigkeit erlangt hat, ging es bergab. Russland war wohl ein wichtiger Abnehmer verschiedenster Güter. So etwas wie eine eigene Industrie, die Arbeitsplätze schaffen würde, gibt es nicht. Man exportiert hauptsächlich Wein. Alles andere wird aus dem Ausland gekauft. Kurios fand ich, dass ganz Georgien von deutschen Autos übersät ist. Opel ist dabei führend vertreten. Daneben VW, BMW und Mercedes. Im Osten sieht man auch noch eine Menge alter Ladas. Ich habe mir mal den Spaß gemacht auf einem Parkplatz die Herkunft der Autos abzuzählen. Von 20 Autos waren 18 deutsche Fabrikate. Die sind oft nicht mehr im besten Zustand (Euphemismus), aber sie laufen.
Würde ich für meine Reise einen Obergriff vergeben müssen, würde es sicher "Autofahren" heißen. Denn der Zustand der Autos dort und wie man fährt war das mich permanent beschäftigende Thema. Um es kurz zu machen: unbeschreiblich

. In meinem Reiseführer wird vom Fahren dort abgeraten, denn es sei "lebensgefährlich". Das halte ich für einen Euphemismus

.
Es gibt keine Schilder mit Tempolimits. Durch Ortschaften fährt man mit 100. Dabei rauscht man an spielenden Kindern vorbei, an Kühen, die die Straßen kreuzen, an Autos, die einem auf derselben Fahrspur (bei uns würde man sagen als Geisterfahrer) entgegenkommen oder Rückwärts fahren... Auf der Landstraße wird permanent überholt, natürlich in allen uneinsehbaren Kurven, gerne auch drei Autos nebeneinander – und natürlich auch bei Gegenverkehr. Der "Geschwindigkeitsüberschuss" der überholenden Autos ist manchmal sehr groß, so dass man regelrecht erschrickt, weil man nicht damit rechnet, meist aber nur sehr gering, so dass man eine Garantie hat, dass man auch lange Kurven bis zum Ende auf der Gegenfahrbahn verbringt.
Kühe, laufen überall (nur in Tiflis nicht) frei auf den Straßen herum, man geht deswegen auch nicht vom Gas sondern versucht ihre Bewegungen zu antizipieren, dann nimmt man irgendeine Lücke, die sich bietet und hofft, dass die Tiere mitspielen. Auch nachts sind sie auf den Straßen in den Ortschaften, aber viel mehr außerhalb der Ortschaften unterwegs. Oder sie schlafen einfach irgendwo auf dem Mittelstreifen und man sieht sie kurz vor oder in der Kurve und muss ausweichen. Hunde auf der Autobahn (ich glaube, es gibt nur eine Autobahn, wir sind laufend Landstraße gefahren) sind da wohl noch harmlos. Verpasst man eine Autobahnabzweigung fährt man natürlich einfach rückwärts wieder auf die ursprüngliche Autobahn – was sonst. Der Vater meiner Liebsten sagte mir zum Thema Rückwärtsfahren, dass ein Georgier in Deutschland einen Unfall hatte. Er ist ebenfalls vollgas rückwärts gefahren und mit einem anderen Auto kollidiert. Schuldig gesprochen wurde letztlich der Deutsche, auf den der Georgier aufgefahren war, weil man nicht glauben wollte, dass jemand so schnell rückwärts eine Straße entlang schießt...
Anschnallen gibt es nur für die Personen vorne, hinten befindet man das nicht für nötig oder es ist oft einfach auch nicht nicht möglich. Kopfstützen gibt es hinten sowieso nicht. Man fährt in den ländlichen Gegenden hauptsächlich mit Gas. Dazu hat man sich einfach ne Gasflasche in den Kofferraum gebaut. Dabei ist die Praxis die, dass man, wenn man längere Strecken fährt, bei jeder Möglichkeit den Motor ausschaltet und das Fahrzeug rollen lässt, um Sprit bzw. Gas zu sparen. Das macht man auch gerne auf längeren Geraden, also man beschleunigt sehr stark hoch, damit man dann weiter rollt, dann irgendwann wieder Gang rein, Gas zuschalten und weiter geht's.
So, das sollte als kleiner Eindruck dazu, was man unter "Fahren in Georgien" versteht, reichen.
Ich könnte ein Buch schreiben. Aber da das hier ein Fotoforum ist, möchte ich einfach ein paar Bilder zeigen.
Rushing Cow

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Innenansicht

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So sieht's aus, wenn man ihre Nachtruhe stört – wie man sich bettet...

#3