Nach einem Tag Ruhepause, in der ich meine Fußblasen verarztete, genehmigte ich mir am nächsten Tag ein paar Taxifahrten, denn mit Laufen war's erst mal nichts, nicht mal bis zur nächsten U-Bahn-Station.
Unter den in Reiseführern angepriesenen Sehenswürdigkeiten ist auch „La Mer“ zu finden, ein brandneues „Urlaubserlebnis“. Für mich sah es eher aus wie eine als Badeanstalt getarnte Shopping Mall, mit künstlicher auf europäisch gestylter Kleinstadtidylle, künstlich angelegtem Strand, künstlich gestrandeten Booten und Kunststoffwasserrutsche. Immerhin bietet das Gelände eine hübsche Aussicht auf die Skyline.
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163. „Rashid, leg doch da mal noch ein altes Boot an den Strand, damit das 'n bisschen idyllischer aussieht!“

164. Künstliche Delfine

165. Das gefürchtete Wasser in Makroplastik, über das jetzt alle sprechen.

166. Hübsche Aussichten. Warum nicht lieber dorthin fahren? Taxi!!!

Dubai Downtown schien mir die letzten Jahre der Ort mit der stärksten Anziehungskraft zu sein. Eine Insel auf den Malediven ist traumhafter, aber nach zwei Wochen echt langweilig. Auf Mauritius war das Essen noch schlechter als hier. In Kenia werden Touristen immer häufiger von Löwen gefressen. Deshalb war ich 2012 ein zweites Mal in Dubai, und hier am Burj Khalifa war der Ort, an dem ich mich so wohl fühlte, dass ich mich manchmal dorthin träumte, wenn ich nicht einschlafen konnte. Sitzend auf einer der hölzernen Bänke, im kühlenden Schatten, den Blick von diesem erhabenen, außergewöhnlichen Bauwerk gefesselt, das in der Landschaft wirkt, wie ein gestrandetes Raumschiff aus einer fernen Galaxie. In den Ohren seicht plätschernde Entspannungsmusik, die aus den überall verteilten Lautsprechersäulen strömt …
Jingle Bells. Let It Snow, Let It Snow, Let It Snow! Santa Claus Is Coming to Town, plärrt Frank Sinatra über den Platz. Und wo sind die bequemen Bänke? Sie mussten ein paar Beton… äh … …sitzgelegenheiten weichen, hart, kalt und ohne Lehne. Anlehnen kann man sich nur noch auf den Stühlen der vielen Restaurants. Oder das noch Zufall ist?
Anfang der Neunziger, gleich nach der Wende, war ich mit meiner damaligen Freundin im Big Eden, einer angeblich supertollen Diskothek am Berliner Kurfürstendamm, die ich aus der Werbung kannte. Als wir uns auf zwei der wenigen Stühle setzten, kam sofort ein Kellner angerannt. „Wie? Nichts trinken? Dann müsst ihr aufstehen.“ Sitzen nur gegen Bezahlung.
So kam mir das am Burj Khalifa auch vor. Nur dass das Sitzen bei einigen Restaurants kaum zu ertragen ist, da sie die im Hintergrund dudelnde Weihnachtsmusik versuchen, mit künstlichem Plastikpop aus der Dose niederzubrüllen.
Die schönen Handläufe aus Edelholz an den Gittern rund um das Wasserbecken, über die ich bereits nach meinem ersten Besuch geschrieben hatte, waren ebenfalls verschwunden und durch graue Metallröhren ersetzt worden.
Am schlimmsten aber empfand ich die vielen neuen Hochhäuser, die das Gelände inzwischen umzingeln. Als zu Silvester vor zwei Jahren
, fragte ich mich schon, ob die verrückten Araber die Fassade erneuern oder gleich das ganze Gebäude abreißen würden. Aber ich habe sie unterschätzt, denn sie sind noch verrückter als ich dachte. Sie erneuerten nicht nur die Fassade sondern bauten auch noch zwanzig weitere Hochhäuser drumherum. Und das ist nicht mal übertrieben, denn allein im direkten Umfeld des Burj Khalifa sind mindestens zehn Hightowers bereits fertig oder noch im Bau. Im weiteren Umfeld stehen so viele neue Häuser, dass ich gar nicht erst den Versuch gemacht habe, sie zu zählen.
Aus verschiedenen Meldungen wusste ich bereits, dass das Burj Khalifa nur schlecht vermietet ist. Ein Taxifahrer erzählte mir, das sei bei den meisten anderen Gebäuden im Umfeld auch nicht anders. Da drängt sich mir die Frage auf, woher denn eigentlich das viele Geld kommt, wenn man teure Hochhäuser baut und dann keine Mieter findet. Vor allem aber ist der luftige, freie Charakter meines Traumortes verlorengegangen. Es wurde und wird noch immer jede nur verfügbare winzige Stelle bebaut, koste es, was es wolle. Und das nicht nur hier, sondern überall in der Stadt. Der Ort meiner Träume ist Opfer geworden von Baulärm, Hochhäusern und Enge.
Aus der Traum.
167. Ein traumhaft hübscher Albtraum.

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169. Ein Teil von „The Old Town“

170. Rechts im Bild „The Adress: Downtown“ mit neuer Fassade. Die Hochhäuser dahinter gab es vor sechs Jahren noch nicht. So lange hätte man bei uns wohl diskutiert, ob man denn überhaupt bauen sollte oder nicht.

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172. Rechts im Bild zwei freie Lücken, die unbedingt noch geschlossen werden sollten.

173. Künstliche Pusteblumen. Wofür die wohl Symbol sein mögen? Vielleicht für vom Winde verwehte Träume?

174. „Hey, Jungs, wir haben hier noch ein bisschen freien Platz. Hat jemand 'ne Idee?“ – „Klar, wie wär's mit 'ner Oper?“ – „Oh, super, ham wa noch nich' …“

175. Neues Hochhaus? Gern, hier ist noch eine freie Stelle.

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Zur Fortsetzung
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