Di 18. Okt 2022, 21:04
Hodu hat geschrieben:Hallo Clemens, da lieferst du eine schöne Fortsetzung.
Für mich ist es diesmal die #9.
Ich würde das Bild allerdings oben und unten beschneiden, damit die Linien/Kanten wegfallen.
Vielen Dank ... und ich muss das erklären ...
Ich bin gerade in einem Lernprozess und beschäftige mich intensiv mit Wabi Sabi, der japanischen Philosophie der Bescheidenheit und des Unperfekten. Meine Dozenten in diesem Thema sind eine sehr nette Fotografin und ihr Mann, beide bereisten oftmals Japan, Fotografie haben sie in England studiert usw.
Das Thema Wabi Sabi betrifft nicht nur Ästhetik sondern auch die Abkehr von dem (westlichen) Versuch alles schön und möglichst perfekt darzustellen oder machen zu wollen. Und dafür gibt es ja viele fotografische Regeln (Horizont nicht in die Mitte legen, achte auf den Goldenen Schnitt, etc.).
Ein Bild nach Wabi Sabi gilt als gelungen, wenn es nicht perfekt ist ... und deshalb ist in der #9 die vordere, schräg (und nicht parallel) verlaufende Kante in der Unschärfe als Symbol des nicht Perfekten wichtig, oder zumindest günstig.
Um das zu kapieren brauchte ich etwas Zeit, zu Beginn habe ich natürlich die Kamera auf die Linie ausgerichtet, und merkte irgendwann dass der Bildeindruck so nicht passt. Also nicht nach den Regeln fernöstlicher Ästhetik. Erst die schräg verlaufende Kante macht das Bild (nach Wabi Sabi) besser.
Nach meinen bisherigen Vorstellungen heißt das: Krass gegen bekannte Regeln arbeiten.
Nochimmerhier hat geschrieben:Hallo Clemens , ich frage mich gerade warum du in der #13 die obere Diagonale mit ins Bild genommen hast , ich würde tatsächlich rechts oben schneiden wo der hellere Putz aufhört so das die Aufnahme fast monochrome ist ...
okay , das ist meine Sicht
Ich kann dich so gut verstehen! Das war anfangs auch meine Meinung: Das schneide ich doch weg! Nach Rücksprache mit meinen Dozenten blieb die Diagonale im Bild, durch das entstandene Dreieck und die zweite Oberfläche gewinnt das Bild.
Diese Art entspricht den Bildern von Hiroshi Sugimoto, der hat auch gegen alle Regeln gearbeitet und z.B. den Horizont (Wasser) in die Mitte des Bildes gelegt.
Allerdings konnte ich nicht anders und für mich musste die Spitze des Dreiecks an der linken Bildecke auslaufen ... ein bisschen bekannte Grundzüge müssen eben doch sein.
So, das heißt nicht dass ich jetzt alle fotografischen Grundsätze fallen lasse, mitnichten. Wenn ich Architektur fotografiere werde ich weiterhin präzise ausrichten usw. - ich werde aber wissen dass es auch andere Ansätze in der Fotografie gibt.