Hey BUDDI,
hier die Einzelkritik :
#1: Die Serie legt mit einen richtigen Knaller los
Der Betrachter wird durch den Zug an der Krawatte förmlich ins Bild gezogen und interagiert stark mit dem Model. Die sehr kurze Brennweite von 15mm vermittelt ein sehr starkes vielleicht sogar etwas unangenehmes Gefühl der Nähe.
Anfangs ist mir allerdings der Ausdruck des Models zu unbeteiligt gewesen. Sieht man das Bild aber im Kontext passt der Blick des Models eigentlich ganz gut zu einer Prostituierten(?).
Auf dem zweiten Blick wandern die Augen auf den Hintergrund. Das angeschnittene Bett und der Sessel stören dabei nicht. Lediglich die horizontale metallische Strebe im Hintergrund und die messingfarbenen Bolzen oben am Bett lenken doch etwas ab. Auch der Zettel in der Bettgardine direkt rechts neben dem Gesicht des Models fällt nach einer Weile auf. Vielleicht kann man da noch etwas mit der EBV rausholen?
A pros pos EBV: Die Hautretusche ist dir gut gelungen

Charakteristische Fältchen hast du nicht glattgebügelt und das Auge wirkt sehr klar. Das MakeUp ist dem Konzept entsprechend sehr gut gelungen. Hattest du einen MakeUp-Artist zur Hand?
#2: Die Pose des Models gefällt mir sehr gut

Die dominante Kieferlinie verschwindet hinter der Schulter und lässt das Gesicht sehr viel jünger und femininer wirken.
Der Clou des Fotos ist aber das tätowierte Auge das leicht am Betrachter vorbei blickt. Dieses Auge fügt der sehr intimen Pose und Grundstimmung eine unbeteiligte/träumerische Note hinzu.
Was mich irritiert:
Ihr linker Schulterknochen ist sehr präsent, das wird noch durch das Tattoo betont. Vielleicht hätte es geholfen, wenn dein Model den linken Arm etwas nach vorne geschoben hätte?
Die Wimpern sind mir zu lang, passt zwar ins Konzept aber wirkt meiner Meinung doch etwas unnatürlich.
Vielleicht hätte man die Entkleidungsszene noch etwas arrangieren können? Das Kleid wirkt nur noch wie ein Stück Stoff und ist wenig präsent. Die Pose lässt auch nicht gleich auf das Entkleiden schließen. Möglicherweise wäre eine Rückenaufnahme des stehenden Models mit halb heruntergerutschten Kleid etwas offensichtlicher? Mit nach rechts geneigtem Kopf des Models hättest du damit auch eine ähnliche Pose wie in diesem Bild.
Beim Schnitt bin ich mir nicht sicher. Hast du da noch etwas Reserve untenrum?
Wie würde es eigentlich wirken, wenn du das kleine pinke Stück BH der Lippenstiftfarbe anpassen würdest?
#3: Der Blick ist sehr fesselnd. Der hochgehaltene BH lenkt das Auge sehr geschickt zuerst auf das Gesicht und lässt es dann langsam nach unten gleiten. Mir gefällt, dass die Brüste nicht überpräsent dargestellt sind.

Die Tattoos sorgen für zusätzliche Spannung in diesem Foto. Die Dessous wirken sehr edel. Besonders gut gefällt mir aber dass etwas Plastizität am Bauch (unterhalb des Bauchnabels) erhalten geblieben ist.
So richtig finde ich hier nichts zu kritisieren
Vielleicht ist das Kissen links etwas dunkel und dominant? Aber so richtig störend ist es nicht. Ich musste mir nur was aus den Fingern saugen
#4: Die Rückenansicht gefällt mir ausgesprochen gut

Der leichte Ansatz des Gesäßes ist ein echter Blickfang. Danach gleitet das Auge langsam die Tätowierungen entlang nach oben auf das beschriebene Papier. Dieses wirkt irgendwie sehr unscheinbar und will nicht recht in die Umgebung passen. Allerdings passt es gut zur Geschichte, von daher ist es genau richtig so.
Mir gefallen allerdings die Lichtschalter irgendwie gar nicht

In ihrer kühlen und geraden Form wirken sie hier eher deplatziert. Das ist aber eine Einrichtungsfrage, auf die du sicher keinen Einfluss hattest. Allerdings hast du sicher auf den Schnitt Einfluss

Ich denke das Foto würde von ein paar mm mehr links durchaus profitieren. Wenn da keine Reserve mehr ist, könntest du links vielleicht etwas mehr beschneiden?
Auch die Haare hätten vielleicht etwas ungeordneter sein können.
#5: Passt gut zur Geschichte und hätte ich wahrscheinlich genauso aufgenommen als Motiv. Allerdings ist der Gesichtsausdruck des Models irgendwie nicht optimal. Für mich drückt er durchaus Frust und Resignation aus, allerdings fehlt mir irgendwie die Trauer (als Überleitung zur #6). Das erfordert allerdings im höchsten Maße schauspielerisches Talent des Models, darauf wirst du wenig Einfluss haben.
Zusammen mit dem Gesicht wird der Arm und die Geldscheine zum bildbestimmenden Inhalt und verleihen dem Foto eine gewisse Dynamik und Stärke.
Bei dem Stoff links verschwommen im Bild bin ich mir unsicher

Irgendwie ist er zu auffällig um ihn zu übersehen aber auf der anderen Seite trägt er in dieser Form auch zu wenig zum Bild bei. Kannst du mal probieren den Stoff stark aufzuhellen? Vielleicht wirkt er weißer besser?
#6: Sehr stark

Hier drückt einfach alles am Model Traurigkeit aus. Das Geld wirkt geradezu schmutzig.
Allerdings wirkt hier der dunkle Stoff im Vordergrund ablenkend auch der Schatten rechts im Hintergrund lenkt zu stark ab. Der Schatten vom Bettgestell ist soweit ok fügt dem Bild aber eine weitere Struktur hinzu, die möglicherweise von der Bildaussage ablenkt. Unten hätte ich vielleicht noch ein paar mm beschnitten.
#7: Hier gefällt mir der Gesichtsausdruck des Models sehr gut. Man kann sehr gut die Leere und Resignation im Blick lesen

Die Pose finde ich auch sehr interessant, präsentiert sie doch eine weitere Facette der Tätowierungen. Spannend finde ich den Kontrast zwischen dem fast schon verspielten Sessel/Stuhl und dem klaren schmucklosen Fenster. Die Wand nimmt ganz ausgezeichnet die destruktive trostlose Stimmung des Bildes auf
Ein paar kleine Sachen habe ich aber auch hier gefunden:
Das Grün der Bäume bildet einen sehr starken Farbkontrast zu den Rottönen im Bild und lenkt das Auge vom eigentlichen Motiv ab. Das metallene Scharnier wirkt etwas deplatziert. Ich wüsste allerdings nicht, was du da besser hättest machen können. Vielleicht kannst du mittels EBV dieses Scharnier etwas weniger ablenkend gestalten? Die sehr dunklen Schatten passen zwar gut zur Bildaussage, aber vielleicht könnten sie den Blick etwas weniger vom Model lenken, wenn sie etwas aufgehellt werden würden? Vielleicht kannst du links noch 1mm mehr Platz lassen?
#8: Ich verstehe die Idee. Auch die Pose ist gut. Das tätowierte Auge blickt quasi direkt in die Kamera und wirkt so als ob es den Betrachter durchschauen und anklagen würde. Allerdings wirkt es redundant. Eine ganz ähnliche Geschichte erzählst du ja schon in #7. Als Einzelbild könnte es aber ganz gut wirken.
#9: Ein sehr gutes Abschlussbild

Der Schmutz wird abgewaschen ... irgendwie bekommt das Ende damit einen bittersüßen Geschmack. Durch den engen Beschnitt, der Pose des Models und dem Aufnahmestandort wirkt es sehr intim. Man fühlt sich als Betrachter zum ersten mal wirklich voyeuristisch. Mir gefallen aber auch die Formkontraste der klaren Linien (Beine und Pfeiler) und rundlichen Elemente (Wanne und Armaturen). Besonders gut finde ich aber hier die Kieferpartie. Der Kopf wirkt wie in #2 sehr schmal und feminin
Nichtsdestotrotz hätte dem Bild links sicher ein paar mm mehr gut getan

Auch wirkt die kleine violette Tätowierung wie ein Blickmagnet. Wenn das beabsichtigt war, ist es dir sehr gut gelungen, wenn nicht, wirkt es ziemlich ablenkend.
Zur Serie selber:
Wie schon vorher erwähnt, kommt das Konzept und die Geschichte sehr gut rüber. Die Bilder sind unter sich sehr stimmig. Als Betrachter wird man gut von einem Foto zum anderen geleitet. Mir fällt irgendwie nicht wirklich was ein, was du besser hättest machen können. Vielleicht #8 raus und dafür ein Foto zwischen #3 und #4 eingefügt? Vielleicht das Model auf den Rücken liegend in knittrigen Lacken gewickelt mit Kopf und Blick leicht rechts in die Zimmerecke? Das ist aber Kritik auf enorm hohem Niveau
Interessanterweise sind mir die ausbaufähigen Punkte erst aufgefallen, als ich die Bilder für sich betrachtet habe. In der Serie fallen diese so gut wie gar nicht auf. Von daher würde ich diesen auch nicht zu viel Bedeutung beimessen.
Ich würde mich sehr freuen, wenn du auch in der Zukunft noch solche wunderbaren Fotos und Serien mit uns teilen würdest.
