Mi 13. Okt 2021, 10:01
DeFuFroschn hat geschrieben:Wo isses denn?
Das hatte ich mit Absicht nicht genannt. Es hätte Euren Blick und Eure Gedanken sofort thematisch total verengt.
Aber ich will das jetzt mal auflösen, weil der Frank den richtigen Gedanken hatte.
Der erste und zugleich wichtigste Kampf, den JEDER mehr oder weniger schwer auszukämpfen hat, ist der Weg ins eigene Leben; die Geburt.
Und angeregt hat mich jetzt natürlich
.
Die Bilder, die er präsentiert, sind aber eben auch wieder "nur" die recht üblichen Neugeborenen-Bilder. Als "Geburtsbilder" würde ich sie nicht bezeichnen.
Zunächst noch einmal - bevor es möglicherweise missverständlich aufgefasst wird - spreche ich dem Guido auch hier nochmal meinen herzlichen Glückwunsch aus.
Und ich weiß, dass man einen solchen Moment auch als Großeltern - leibliche oder nicht, ist da auch oft egal - sehr intensiv und emotional erleben kann. Meine
Mutter war auch ganz gerührt und ergriffen, als ich ihr endlich als Sohn, der schon Anfang seiner 50er war - ihren ersten Enkel präsentieren konnte. Sie hatte
Es vermutlich schon gar nicht mehr zu hoffen gewagt.
Ich habe zu diesen Neugeborenen-Bildern von Babys, zu denen man selbst keine persönliche Beziehung hat, aber auch ein recht ambivalentes Verhältnis und
will das auch mal begründen.
In etlichen anderen Fotoforen, in denen ich schon Mitglied bin oder war, gab es früher oder später die Bitte, sich mit dem Posten von Bilder des eigenen,
neu geborenen Nachwuchses möglichst etwas zurück zu halten. Jeder kann sicher die Freunde und die emotionale Ergriffenheit der frisch gebackenen Eltern
nachvollziehen; zumindest jeder, der das schon selbst durchlebt hat. Wie auch ich selbst. Und es auch nach zu vollziehen, dass diese frisch gebackenen Eltern
ihr Glück auch gern mit anderen teilen. Und völlig klar ist auch, dass das eigene (Enkel-)Kind immer das süßeste und hübscheste Baby auf der Welt ist.
Das muss auch genau so sein. Die Natur hat dafür aus gutem Grund gewisse Hormone erfunden, die genau dieses Gefühl auslösen sollen.
Aber für den nicht persönlich mit dem abgebildeten Baby involvierten Betrachter haben die Bilder eher selten einen Reiz. Weil eben der emotionale Bezug
zu diesem einen abgebildeten Baby fehlt. Für den unbeteiligten Betrachter sehen (fast) alle Babys - abgesehen mal von Haar- oder Hautfarben usw.- irgendwie
gleich aus. Oft haben sie diesen etwas gnatzig wirkenden Babyblick. Meist schlafen sie auch, weil das i.d.R. der Moment ist, in dem man von den ganz neu
geborenen die Babyfotos macht, weil sie sonst möglicherweise irritiert und genervt reagieren und dann natürlich auch anfangen, zu schreien.
Wenn man als Vater dann auf dem Flur einer Geburtsstation steht, weil man mal aus irgend einem Grund gerade nicht bei der Frau dabei sein kann.
Es findet eine ärztliche Untersuchung statt. Oder manch eine Frau kommt eben doch nicht damit klar, dass der Vater die Geburt persönlich und hautnah
begleitet, oder die Geburt läuft nicht glatt und das Kind kommt per Kaiserschnitt zur Welt, dann kommt man dieser Fotowand vorbei, an der diese
unzähligen Neugeborenenfotos hängen, die die Eltern dieser Kinder aus Dankbarkeit und Freude dann dem Personal schenken. Und dann stehen da
ganzen Namen drunter. Nicht selten auch ziemlich gruselige Doppelnamen mit Bindestrichen. Oder Namen, bei denen man sich fragt, ob dieses Kind
nicht mit 18 seine Eltern auf Schmerzensgeld verklagen wird wegen der Namensgebung.
Und noch schlimmer finde ich im Prinzip diese Stil, der sich irgendwann mal herausgebildet hat, wo professionelle Fotografen, meist sind es Fotografinnen,
das sauber geleckte, ins reinster Bekleidung eingehüllte Baby in einen Weidenkorb, einen Zinkeiner oder eine Holzkiste zusammen mit etwas Stroh oder Holzwolle,
mit einem Strickmützchen aufgesetzt und einen Plüschhäschen daneben. Präsentiert wie ein Osterei oder eine Weihachtsdekoration.
Ich kann mit dieser Art von Bildern einfach kaum etwas anfangen. Und mir war des auch nie danach, solche Fotos wirklich machen zu wollen. Keines dieser
Bilder kann auch nur andeutungsweise vermitteln, was dieser kleine Mensch - und auch seine, ihn gebärende Mutter - bei dieser Geburt an Qualen, Ängsten,
usw. durchlitten haben. Gerade von uns Männern wären wohl nur wenige in der Lage, diese Schmerzen und Qualen, die ein gebärende Mutter erleidet,
selbst durchzustehen.
Die Kinder, die z.B. per Kaiserschnitt zur Welt kommen, machen das nicht so in dieser Härte durch. Ich bezeichne das immer etwas salopp, so als ein "Sich-durch-
die-Hintertür-hinausschleichen". Unser Erstgeborener kam auch durch Kaiserschnitt zur Welt. Mehr als zwölf Stunden hat meine Frau gekämpft, ihn auf
natürlichem Weg zur Welt zu bringen. Er lang während der gesamten Schwangerschaft eigentlich schon goldrichtig mit dem Kopf nach unten. Die Hebamme
war sich die ganze Zeit sicher, er würde eine eher einfache Geburt haben, wenn er so liegen bleiben würde. Letztendlich konnte er aber diese entscheidende
letzte Bewegung, den Kopf einzudrehen und nach hinten zu bringen, um durch in den Geburtskanal zu gelangen, nicht vollführen. Und so musst er per
Kaiserschnitt zur Welt gebracht werden.
Damals sagte mir dann eine Stationsschwester, oder Hebamme am nächsten Morgen in etwa:
"Sie sind sich vermutlich gar nicht darüber bewusst,
was das für eine hochdramatische Situation war. Vor rund 200 Jahren wurde der Kaiserschnitt erfunden. Bevor es den gab, wäre ihr Kind im Mutterleib
gestorben, wenn es nicht von allein herausgekommen wäre. Und nicht selten sind dann auch die Mütter gestorben, aufgrund der Verletzungen, die ihnen
zugefügt wurden bei dem Versuch, das tote Kind im Mutterleib zu zerstückeln um es heraus zu holen."Und als ich so darüber nachdachte, kamen mir eben auch diese Gedanken:
DAS ist dein erster und zugleich wichtigster und oftmals auch härtester Kampf, den Du als Mensch durchzustehen hast. Die Option, ihn zu verlieren,
gibt es dabei nicht. Du kannst dich nicht einfach nochmal hinten in der Reihe anstellen und es erneut versuchen; morgen oder nächste Woche. Entweder du
gewinnst diesen Kampf
jetzt, oder dein Leben endet, bevor es wirklich richtig begonnen hat. Das ist in vielen Regionen der Welt, in denen die medizinische
Versorgung nicht ansatzweise so dicht und so gut ist, wie hier in Mitteleuropa, auch heute noch oft genug der Fall.
Und diese ganze Dramatik, die man eben wirklich mit diesem, von mir eingangs beschriebenen erbitterten Kampf bis aufs Blut um das eigene, nackt Überleben
vergleichen kann, wird in keinem dieser Bilder, die wir dann nachher von den Babys sehen, wenn sie sie sich davon erholen konnten, sich ihre Hautfarbe
von ganz lila zum normalen babyrosa verändert h, und wenn sie von den Eltern und/oder dem/der Fotografen/Fotografin für die Neugeborenenfotos herausgeputzt
werden, sehen oder erahnen können.
Der Kaiserschnitt, mit dem mein Sohn zur Welt gebracht wurde, fand abends um 22 Uhr statt. Ich war an der Seite meiner Frau am Kopfende. Wenn ein Kind
per Kaiserschnitt zur Welt kommt, wird es schon im OP abgerieben und etwas gewaschen, weil man der Mutter kein vollgeblutetes Kind unters Kinn legen will.
Die Spuren der (normalen) Geburt, die Käseschmiere usw. sind dann schon weitgehend weg, wenn man als Vater sein Kind von der Schwester in den Arm
gelegt bekommt. Ich habe meinen Sohn dann in einer Ecke des OPs stehend, gehalten, bis meine Frau zugenäht war und gereinigt aus dem OP ins Zimmer
gefahren wurde. Und ich habe dann in der Nacht um zwei Uhr, selbst schon völlig erschöpft von der Anspannung, die ich den ganzen Tag mit mir herumgetragen
habe - der Schädel brummte mir, als hätte ich einen Riesenkater von einem Saufgelage - ein paar erste Bilder von ihm - allein und zusammen mit meiner Frau -
gemacht. Fotos mit fotografischem Anspruch sind mir da auch nicht mehr gelungen.. Ich habe nur eins davon ausgewählt, um es auch anderen zu zeigen.
Ich zeige es auch hier mal. Aber es noch nicht Foto, auf das ich eigentlich hinaus will.
Zuletzt geändert von lab61 am Mi 13. Okt 2021, 16:30, insgesamt 4-mal geändert.