Hallo,
entschleunigtes Fotografieren ist derzeit wieder in aller Munde und ich habe schon immer eine Schwäche für manuelle Linsen. Daher möchte euch mal wieder ein an Pentax adaptiertes M42-Altglas-Schätzchen vorstellen. Es handelt sich um mein kürzlich erworbenes Bonotar 105/4,5 von Feinmess in Dresden. Die Firma wurde 1872 gegründet und nach 1945 in den VEB Feinmess umstrukturiert.
Techn. Daten:Optische Rechnung : 3 / 3
10 Blendenlamellen
Blende max. f/4.5 und min. f/22
Naheinstellgrenze: 1,7 m
Filtergewinde: 40 mm


Der Tubus des einfachen Triplets ist weitgehend nur mit Luft gefüllt


Noch ein kleiner Größenvergleich mit den Altix (90mm) und dem DFA (100mm):

Die Linse an und für sich ist ein Kuriosum. Ursprünglich wurde die Rechnung als fest eingebautes Objektiv der Klappkamera Belfoca (aus den Belca-Werken, Dresden) mit 6x6 bzw. 6x9 cm Rollfilm entworfen. In den Jahren 1956-59 wurde die optische Rechnung schließlich auch in einem Tubus als Wechselobjektiv mit M42-Gewinde, sowie Exakta-Bajonett angeboten. Die Frontlinse ist so tiefliegend, dass keine Streulichtblende beigelegt wurde.
Es handelt sich bei der Linse um ein klassisches Triplet in Normalbauweise, so dass ein Großteil des Tubus praktisch leer ist. Trotz der einfachen Bauweise genießen die Triplets damals wie heute einen ausgezeichneten Ruf, auch im Vergleich mit moderneren Linsen mit echter Telebauweise. Man betrachte nur das bereits während des 1. WK entwickelte und jahrzehntelang produzierte Trioplan 100mm aus Görlitz, das heute für 500-600€ in der Bucht gehandelt wird und sich aufgrund seines Seifenblasen-Bokeh größter Beliebtheit bei Portrait- und Makroaufnahmen erfreut. Das Bonotar kann als Poor-Man´s Trioplan bezeichnet werden. Vor 10 Jahren lagen die Preise noch bei rund 30€ für dieses eher seltene, aber lichtschwache Objektiv. Mittlerweile muss man je nach Zustand zwischen 60 und 150€ hinlegen. Mal sehen, ob es ein Schuss ins Knie oder eine Investition in die Zukunft war

Literatur:
- Claus Lieberwirth, “Das Bonotar von Feinmess Dresden”, PhotoDeal III/2003
- Bonotar, Foto-Objektiv der VEB FEINMESS Dresden, Prospektheftchen
Da vermutlich nicht allzu viele Pentaxianer ein solches Exemplar besitzen und meine Bilder allein vielleicht nicht genügend Eindrücke von der Linse vermitteln, verlinke ich noch kurz ein paar Bildersammlungen zum Bonotar (adaptiert an verschiedene Kameras):
Die folgenden Bilder sind alle an der K-30 und mit ISO 100 und -0,7 EV in der Mittagssonne entstanden.
Blende 4.5 (bei 1/1000s) also in dem Fall Offenblende hat wenig Schärfe zu bieten. Andere bisher gemachte Bilder zeigen bei Offenblende ziemlich heftige CAs.

bei Betrachtung der 100%-Ansicht wird die kaum vorhanden Schärfe noch deutlicher, interessant ist dieses Glühen um die Objekte herum, erinnert ein bisschen an die russischen Infrarot-Linsen

Blende 5.6 (bei 1/800s)

Blende 8 (bei 1/640s)... da kann man auch schonmal von Schärfe sprechen

Blende 8 in der 100% Ansicht

Derzeit habe ich noch zwei Exemplare zur Ansicht, allerdings wird mich eines wieder verlassen. Bei Gelegenheit werde ich mit der Linse mal ein Portrait probieren.
Grüße, Martin