Sa 9. Jan 2021, 14:56
Asahi-Samurai hat geschrieben:Interessanter Meinungsaustausch, der schon über das Sujet der Fotografin hinaus geht. Karussell schrieb: "... Für mich beginnt Kunst dort, wo der Künstler in einer "Selbstbeauftragung" einen relevanten gesellschaftlichen und/oder persönlichen Bezug zum Ausdruck seines Werkes herstellt. ..." . Da denke ich doch darüber nach, ob Dürers "Hase" in dem Sinn Kunst ist oder bloß gutes Malerhandwerk. Die Antwort wird unter Karussells Prämisse wohl individuell verschieden aussehen. Irgend jemand sagte auch mal sinngemäß, dass Kunst eine Anmaßung des Künstlers ist, die erst dann zur Kunst wird, wenn der Rezipient sein Werk als solche auch akzeptiert. Das finde ich auch nicht schlecht, gerade bei Abstrakten oder dem Fotorealismus in der Malerei ist die Frage ob Kunst oder nicht sehr von der Individualität des Betrachters abhängig.
VG Holger
In der Tat hat diese Frage nichts mehr mit der Eingangsfrage dieses Themas zu tun. Der historische Aspekt spielt dabei auch eine Rolle. Die Frage nach Dürers Hase oder da Vincis Mona Lisa lässt sich auf die Fotografie übertragen. Walker Evans z.B. war in den 40er Jahren des 20.Jh. im Auftrag der National farm Administration unterwegs, um die Lebenswirklichkeit der amerikanischen Landarbeiter zu erheben. Er fotografierte eine Vielzahl von Menschen in ihrer kargen Lebenswirklichkeit in seiner eigenen Bildsprache. Zu dieser Zeit war die Fotografie kein anerkanntes Medium der Kunst. Fotos waren journalistisch, werbend oder ein Andenken. Sonst nichts.
Erst im Nachhinein, viele Jahre später, als eine lebhafte Debatte geführt wurde, ob die Fotografie überhaupt zu den Bildenden Künsten gezählt werden darf, erkannte man, dass Evans quasi nebenbei eine Art der Fotografie praktiziert hat, die man danach als Dokumentarfotografie bezeichnet hat. Wobei Dokumentar- hier nicht für dokumetarisch-berichtend steht, sondern für den Ansatz, Fotos zu erstellen, die das zeigen was da ist und nicht etwas Inszeniertes.
Bei Interesse hier bitte man nach Prof Elisabeth Neudörfel googeln. In der Folge dieser Ereknntnis hat man die Fotografie in den Status einer Kunstrichtung erhoben, was aber noch nicht sehr lange her ist. Erst in den Siebziger und Achtziger Jahren des 20.Jh. hat die Fotografie in die Museen der Welt Einzug gehalten. Wendepunkte der Geschichte: "New Topographics" (MoMA) oder "Abkehr vom Einzelbild" (oder so ähnlich, Ausstellung in Düsseldorf).
Übertragen auf die alten Meister bedeutet das, dass deren heutiger Status vor allem darauf beruht, dass ihre Bilder in gewisser Weise anders waren als das was ihre Landsleute gemalt haben, von denen wir heute nichts mehr wissen und kennen. Bei der Mona Lisa z.B. der direkte Blick und die unterschiedlichen Perspektiven. Bei Dürer weiß ich das zwar nicht genau aber ich bin überzeugt, dass auch er einer war, der das damals Gewöhnliche grundlegend verändert hat.
Aber natürlich ist es von entscheidender Bedeutung, dass ein Kunstwerk vom Betrachter auch als solches akzeptiert wird. Und das ist auf jeden Fall kein objektiver Maßstab, weshalb sich auch trefflich darüber debattieren lässt....;-)