Nano hat geschrieben:
Seit einiger Zeit beschäftigt mich die Frage, was eine Fotoserie ist - und natürlich, wie man eine solche Serie komponiert. "Serie" meine ich dabei im strengen Sinn.
…
Eine Serie sensu stricto muss allerdings etwas anderes sein als eine bloß additive Ansammlung. Gemeint ist eher eine Reihe von Bildern, die miteinander korrespondieren, mit einer gewissen Notwendigkeit oder doch Folgerichtigkeit verkettet sind und zusammen ein Ganzes ergeben, das mehr, mindestens aber etwas anderes ist als die Summe seiner Teile. Eine Serie soll so etwas wie eine Geschichte erzählen (wobei ich zugeben muss, dass es mir nicht ganz leicht fällt, den Begriff der Geschichte in fotografischen Zusammenhängen nachzuvollziehen; aber das ist ein anderes Thema). Das alles bedeutet auch, dass die Karten völlig neu gemischt werden, wenn man sich daran macht, Bilder zu einer Serie zusammenzustellen: Fotos, die für sich stark wirken, können in einer Serie hinten runterfallen; solche, die nicht so stark sind, können in einer Serie hervorragend zur Geltung kommen und zum Ganzen beitragen.
Alex Webb, einer meiner Lieblingsfotografen, schreibt in der Einleitung von "Dislocations", er sei unter seinen Fotos auf einen thematischen Zusammenhang (den der Titel bezeichnet) gestoßen und habe dann begonnen, die Bilder zu sequenzieren und auszuwählen. Diese Arbeit, verwandt mit derjenigen eines Ausstellungsmachers, ist offenbar nicht nebenbei zu erledigen, sondern ein langer Prozess, in dem es darauf ankommt, tief in die jeweilige Problemstellung einzudringen.
Das alles ist aber nur graue Theorie. Hat jemand von Euch sich einmal intensiv und praktisch damit beschäftigt - und wo kann man das lernen? Gibt es Literatur zu diesem Gebiet, die über die handelsüblichen Schlagwörter hinausführt und die Materie wirklich zu durchdringen versucht?
Bei der Erstellung von Gutachten bediene ich mich bei Zusammenstellung
der Fotos exakt der zuvor beschriebenen Technik – es wird eine für alle Be-
trachter vollständig nachvollziehbare Geschichte daraus, tertium non datur.
Das kann und ist im Fall der Rechtspflege dann Vorgabe für den gerichtlich
bestellten SV, dem dann, wenn das präzise und mit aller Sorgfalt erstellt
wurde, nur mehr die Möglichkeit der Überbestätigung gegeben ist.
Der Vorzug liegt darin, dass ich für die Erstellung eines Gutachtens alle Zeit
der Welt habe, der gerichtlich bestellter hingegen mit einem knappen Zeit-
rahmen sein GA zu erstellen hat. Und genau aus diesem Grund ist die Serie
der Aufnahmen im Zuge der Beweisführung narrativ stringent aufzubauen.
Es ist natürlich anlassbezogen und in der Vorbereitungsphase zu erkunden,
ob dies überhaupt möglich ist.
In diesem Fall der Dokumentation sind natürlich neutrale Fotos fern ab von
Effekten gefragt. Es ist in solchen Fällen die Fokussierung auf die primäre
Fragestellung unter zunehmenden Ausschluss nicht zugehöriger Einflüsse
und Randumstände gefragt, wohl aber sind diese am Anfang umfassend
einzubeziehen und darzustellen sowie in die Dokumentation aufzunehmen.
Es ist eine etwas andere Art der Fotografie wie die, die primär in Fotoforen
etc. gepflogen wird. Sie ist anlassbezogen, descriptiv, fallweise auch foren-
sisch, also beweissichernd orientiert, wie auch unter bestimmten Randum-
ständen z.B. Materialien im Sinne von Asservaten sichergestellt werden.
Diese Art der Fotografie ist für viele naturgemäß fad, interessant wird es
wenn Materialbrüche, Oberflächenveränderungen, Pilzbefall und Verwitter-
ungsgeschehen etc. hinzu kommen und die Bereiche Macro und Micro in
der Dokumentationsarbeit hinzukommen.
abacus