Fr 18. Okt 2019, 18:46
Für mich war es anhand der niedrigen Preise selbstverständlich, zu meinen DSLR auch (mindestens) 1 analoges Modell hinzuzukaufen.
Bis auf die K1000 kosteten die schon mal fast nichts, Canon, Nikon oder Pentax.
Sie waren/sind für meine Bedürfnisse so hochstehend wie ihr digitales Gegenstück.
Nagut, für die K1000 gilt beides nur subjektiv (subjektiv ist nicht gedankenschwurbelnd, sondern heisst "auf die Anforderungen des Anwenders bezogen". Aber ich habe eine wie fabrikneu noch für weit unter 100 Euro ergattert, weiß die Belichtung mit einem Blick zum Himmel auswendig und staune immer noch, wenn eine vollmechanische Kamera mit offener Blende fokussiert werden kann und trotzdem mit der vorgewählten Blende auslöst. Vielleicht bin ich der letzte Mohikaner, der mit einer Kamera ohne Batterie locker umgeht.
Und warum lege ich heutzutage schon mal einen Film in eine Kleinbild-SLR ein (die letzten Analogbilder waren vom 10. September, die MZ5n liegt schon länger ungenutzt in der Schublade)?
- Sie hat Vollformat, und ich habe für sie ungefähr ein Fünfzigstel des Preises einer K1, gerade nachgesehen beim Buchhändler, bezahlt. Kosten für Objektive kommen nicht hinzu, ich habe genügend ältere für meine DSLR, die das Format abdecken.
Dazu kommt die Filmentwicklung für 2,75 Euro im nächsten Drogeriemarkt incl. zwangsweise 36 Belegbilder 9x13 und ein ähnlich niedriger Preis für eine Kleinbildpatrone, sei es aus demselben Drogeriemarkt (leider kennt Vuescan den aber nicht, was zu ewiger Fummelei mit der Farb-Abstimmung führt, also lieber zu Fotoimpex oder einem der anderen Verdächtigen). Um die Kostendifferenz zu Vollformat digital aufzuholen, müsste ich mehr Fotos verknipsen, als ich in den letzten 50 Jahren gemacht habe.
- Ich will gar nicht "unbegrenzt viele" Fotos machen. In der Tat nehme ich für wenige oder ein einziges Foto(s) eine Digitalkamera. Die arbeitet nun wirklich billiger und macht bessere Bilder als weiland eine SX-70 oder Polaroid Image. Ich will gute Fotos machen oder wertvolle für die Erinnerung. Das geht auch mit 36er Filmen.
- Der Body wiegt nur ca. halb so viel wie die digitale Entsprechung. Moment mal ... Küchenwaage her (digital...) ... die K20D (zwar als APS-C noch nicht ganz vergleichbar, aber sie ist doch ein Klopper, der nur ein paar Gramm weniger wiegt als meine Canon 5D) 828 Gramm, MZ5n 418 Gramm.
- Vom Body her ist der finanzielle Verlust, wenn sie geklaut wird, nur ungefähr ein Fünfzigstel des Preises einer K1. (Ich weiß, jeder liebt Paris. Da, wo ich gelernt habe, daß junge sportliche Kerle mit Turnschuhen an den Füßen schon mal in der Metro-Station mit der Handtasche deiner Liebsten abhauen, alle Papiere und Geldmittel drin. Zu der Zeit gab's derlei Action in Köln noch nicht). In Paris habe ich meine Hasselblad im Hotelsafe gelassen und beim nächstenmal statt der Canon 5D eine gebrauchte Bridge für 40 Euro mitgenommen.
- Farbnegativfilme haben irgendwie einen Schmelz, der den digitalen Sensoren abgeht. Das ist wie ein gelungene Schnappschuss eines lieben Gesichtes vs. des detailreichen Röntgenbildes vom Zahnarzt.
- Als ich meine Pentax DSLR bzw. SLR kaufte, schaffte die *ist-DL sechs Megapixel. Mein Nikon Scanner bringt ungefähr neun, und das ist noch ein uralter SCSI-Scanner.
- Bei größeren Projekten egalisiert sich der Vorteil der DSLR, dass sie Einzelbilder liefern kann. Als ich als Baustellenkaufmann in Afrika gearbeitet habe, habe ich die Filme im Paket nach Hause geschickt. In viel späteren Zeiten wäre es auf Großflugtagen wie der ILA egal gewesen, ob ich den x-ten Film dann nicht ganz voll gekriegt hätte.
- Bilder von Analogfilmen sind glaubhafter als digital aufgenommene. Klar kann ich Aufnahmen retuschieren und dann auf Analogfilm reproduzieren, aber das müsste, wenn sie angezweifelt werden, dann schon glaubhaft gemacht werden und das dürfte bei zeitnaher Vorlage ausgeschlossen sein.
Man stelle sich vor, zehntausend Irre hätten nach dem Kennedy-Mord irgend welche Digitaldateien eingereicht.
Und ja, zugegeben, seit ungefähr der Olympus C-5050Z oder Canon G5, verglichen mit den gehobenen Voigtländer Kleinbildkameras mit Skopar oder etwa der Revue 400SE (ungefähr identisch mit einer Konica Auto S3), hat die Digitaltechnik schärfemäßig die besten analogen Kameras eingeholt, weil die Negativfilme, und gerade die mit drei Schichten, die Auflösung eh wieder vermasselt haben.
Mit Ausnahme einer kleinen unbekannten

Fähigkeit, nämlich dem Tonumfang. Um digital das abbilden zu können, was ein Analogfilm, insbesondere ein Dreischichtenfilm, schon immer konnte, hat man noch lange mit Pol- und Verlauffiltern sowie dem Trick mit dem überlagerten Graukeil in Gimp rumgefummelt, muss es teils heute immer noch. Etwas zynisch gesagt, die teure Digitaltechnik hat erst der HDR-Idee zum Leben verholfen.
Schwarzweißfilm habe ich lebenslang selber entwickelt. Es ist ja so einfach. Eigentlich war die Absicht (plus ein neu gekaufter Entwicklungstank, plus diverse Fläschchen und Klemmen, usw. usf.) auch noch vor ein paar Jahren da, und ich hätte damit auch fast den gleichen "Sofort" Effekt gehabt wie mit meinen Digitalkameras, aber den konkreten Schritt, jetzt für diesen Film hier alles aufzusetzen und die Zeit anzuwenden, habe ich dann nie getan - Drogeriemarkt war nahe.
Es gibt auch einen psychischen Effekt. Das Thema ist sehr weit greifend. Warum ist heute der Materialismus so verbreitet, dass kleine, eingepackte, mit Schleifchen umgebene Dinge als Liebesbeweis gelten? Weil sich derlei in der Kindheit fest als Geliebtwerden verankert hat. Früher hat man im Namen seiner Liebsten einen Drachen getötet und ließ sich, um sich die Achtung seiner Umgebung zu erwerben, monate- oder jahrelang auf einer Säule in der Wüste ausdörren. Und was waren bei den Älteren unter uns die kostbarsten, mit dem meisten Brimborium (weil mindestens einen Wochenlohn vom Onkel gekostet habend), geliebtesten, zur Konfirmation geschenkten oder vom Kommunionsgeld gekauften materiellen Dinge? Ich wette, bei manchen Teilnehmern dieses Forums eine Kamera. Ist hier ein Kenner unter uns, der trotzdem irgend wann mal seine Schublade ausräumt und die diversen, wenn auch verharzten oder verpilzten, Rollei, Voigtländer, Exakta und so weiter zum Sperrmüll stellt? Oder geht manchem von uns das Herz auf, wenn wir eine solche in die Hand nehmen?

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Eitelkeit kommt auch noch dazu. Ich habe vor -zig Jahren meine Lehrer geärgert, indem ich meine Klassenarbeiten in Kurrentschrift (später von einem Herrn Sütterlin verschlimmbessert) geschrieben habe, die die jüngeren unter ihnen nicht lesen konnten? Gibt der eine oder andere zu, daß er innerlich ein bisschen grinst, wenn er eine manuelle analoge Kamera in die Hand nimmt, von der die Generation, die nicht die geringste Ahnung hat, wie sie mit Hilfe eines Wählscheibentelefons kommunizieren könnten, verlernt hat, wozu die vielen schicken Rädchen dran gebraucht werden?
Ach ja, der aktuelle Kleinbildfilm ist in der Beltica mit Jena Tessar eingelegt

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Zuletzt geändert von User_10170 am Fr 18. Okt 2019, 19:16, insgesamt 3-mal geändert.