Sa 22. Jul 2023, 17:43
Hab gerade diesen alten Thread gefunden und das Video geschaut. Sehr hilfreich und viele gute Erklärungen, vielen Dank noch nachträglich für den Link. Zum Thema ISO und Rauschen muss ich aber noch meine two Cents dazu geben:
Laut Filmautor entsteht das Rauschen bereits im Sensor, ist also immer vorhanden, nur dass man es eben nur bei Lowlight (also einem schlechten SNR) auch wirklich sieht. Das ist richtig, aber nur ein Teil der Geschichte. Erinnern wir uns, wie so ein CMOS-Sensor funktioniert:
- Ein lichtempfindliches Element (meist eine Photodiode) wandelt eingefange Photonen in elektrische Ladung um. Dabei können die Photonen auch z.B. Wärmephotonen sein, die immer mit im Spiel sind. Sie sind eine von vielen Ursachen für das Rauschen.
- Die elektrische Ladung wird in einem Ladungsspeicher (im Prinzip ein winziger Kondensator) bis zum Ende der Belichtungszeit gesammelt. Der Ladungsspeicher sammelt aber auch Ladungen ein, die nicht aus der Photodiode stammen, sondern aus der umgebenden Elektronik - eine weitere Rauschquelle.
- Die gespeicherte Ladung erzeugt eine Spannung, die elektrisch (also analog) verstärkt wird und dann beim Auslesen im
Analog-Digitalwandler (ADC) in ein Bitmuster umgewandelt wird, das in einem Prozessor digital weiterverarbeitet wird. Verstärker und ADC fügen weiteres Rauschen hinzu.
Bei der analogen Verstärkung vor dem ADC kommt der ISO-Wert ins Spiel, er ist ein Maß für den Verstärkungsfaktor. Und hier liegt das Problem. Der analoge Verstärker verstärkt nämlich nicht nur das Nutzsignal-Rauschsignal-Gemisch von der Pixelzelle, sondern fügt auch noch eigenes Rauschen hinzu, dessen Betrag vom Verstärkungsfaktor (Gain) - also dem ISO-Wert - abhängt. Folglich wird das SNR bei hohen Verstärkungsfaktoren noch schlechter, als es ohnehin schon ist. Daher sehe ich die Empfehlung, mit hohen ISO-Werten zu fotografieren, ehrlich gesagt etwas kritisch. Aus technischer Sicht ergibt das keinen Sinn. Effektiv wird das Störsignal (also Rauschen) bei hohem ISO-Wert mehr verstärkt als das Nutzsignal.
Bei aktuellen Sensoren wird ein erheblicher Aufwand getrieben, um das Rauschen von Anfang an zu reduzieren. Dazu gehört zum Beispiel das sog. Correlated Double Sampling, bei dem einmal nur das Rauschsignal und einmal das Gesamtsignal gemessen wird und diese anschließend subtrahiert werden, übrig bleibt dann - fast - nur das Nutzsignal. Das erfordert einen erheblichen Aufwand an Signalverarbeitung auf dem Sensorchip, aber mit einem Ergebnis, das den Aufwand mehr als rechtfertigt. Dennoch gilt die Regel, dass hohe Verstärkungen immer Rauschen erzeugen. In der Radioastronomie z.B. werden die Antennenverstärker mit flüssigem Stickstoff auf weit unter -100°C gekühlt, um das thermische Rauschen zu reduzieren. Keine noch so gute digitale Signalverarbeitung kann ein Nutzsignal aus einem zu großen Rauschteppich herausfiltern, das SNR ist daher der heilige Gral der Signalverarbeitung.
Aber vielleicht sehe ich das alles zu technisch. Beim Fotografieren kommt es auf den visuellen Eindruck des feritgen Bildes an, der Rest ist völlig egal, und niemand macht eine SNR-Analyse von einem Foto. Wenn das Rauschen nicht stört und das Bild die Aussage des Fotografen rüberbringt, ist ein schlechtes SNR schlicht irrelevant.
Hier ist mal genauer der CMOS-Sensor erklärt, auch das Problem des Rauschens und wie man es in der Griff bekommt. Der Artikel geht allerdings ziemlich ins Eingemachte:
https://micro.magnet.fsu.edu/primer/dig ... nsors.html