Hallo Sabrina,
ein sehr bewegendes Thema, auch weil mal nicht der angenehme Teil des Lebens umgesetzt werden soll – und gut, dass du da mutig rangehst – ohne zu zeigen, wie das Kind mit einem Pentax DA 560 und einem Berlebach-Stativ ...
Das erste Bild finde ich auch gelungen, wobei ich ohne den bekannten Kontext vielleicht auch nur gedacht hätte, dass die Kleine beim Kuchenbacken genascht und sich dabei bekleckert hat. Beim zweiten Bild ist der ängstliche Ausdruck deutlicher, aber so ein vollgeschmiertes Kindergesicht würde ich ohne weitere (textliche) Infos immer mit Schokolade, Schminke oder sonstiger Farbe in Verbindung bringen. Hättest du nur die Bilder gezeigt und nach dem gemeinsamen Thema gefragt, ich weiß nicht, ob ich drauf gekommen wäre.
Zwei Gedanken gingen mir durch den Kopf: wie kann man das Thema umsetzen, ohne reale Kindergesichter zu zeigen und damit zu veröffentlichen? Wie kann man eindeutiger zeigen, dass es sich um Gewalt an Kindern handelt, um bereits fotografisch klare Verhältnisse fürs Verständnis zu schaffen?
Spontan hatte ich diese Ideen: vielleicht ein vermeintlich verletztes Körperteil zeigen (Hand mit Arm oder Rückenpartie) und dabei das Gesicht soweit in Unschärfe tauchen, dass der Gesichtsausdruck noch deutlich wird, aber die Identität nicht oder nur für dich erkennbar ist. Verletzungen kann man ja überall bekommen, aber ich glaube auf dem Rücken würde man sie am ehesten mit häuslicher Gewalt in Verbindung bringen. Ich weiß zum Glück nicht aus eigener Erfahrung, wie man das am realistischsten aussehen lässt. Wenn man dann von hinten sieht, wie das Kind die Hände vors Gesicht nimmt oder vielleicht über einen Garderobenspiegel das erschütterte Gesicht unscharf erkennbar ist (ohne den Fotografen im Bild) sollte dem Betrachter klar sein, dass das kein Kindergeburtstag mit Förmchendieben oder einer verlorenen Schokotortenschlacht (Bild 2) war.
Die zweite Umsetzung wäre, kein Kind als Opfer zu zeigen, sondern einen Erwachsenen als Täter mit entsprechender Gestik und Mimik. Wenn dann ein Kind auch nur schemenhaft im Bild ist, klappt die Assoziation beim Betrachter sicher zuverlässig, dass es sich um (drohende) Gewalt am Kind handelt. Die Gewalt muss ja noch nicht ausgeübt worden sein. Der Appell richtet sich ja auch sicher an Eltern, die kurz davor sind, sich zu vergessen und so einen Spiegel vorgehalten bekommen. Wenn dann der Erwachsene vielleicht ein Kinderspielzeug in der Hand hat, einen Teddy zerflededert (als stellvertretendes Objekt), wird schon deutlich, dass der nicht gerade Ärger mit dem Chef hat.
Ich empfehle wirklich sehr, das Thema so umzusetzen, dass reale Menschen nicht identifizierbar sind. Wer weiß, in welchem Kontext so ein Bild im Web, das bekanntlich nix vergisst, bleibt. Du hast eine sehr künstlerische Umsetzung im Stil guter Portraits gemacht. Eine Alternative wäre eine mehr erkennbare häusliche Umgebung, wenn auch andeutungsweise – damit das "Häusliche" eben auch sofort sichtbar wird. Schwarzweiß finde ich auf jeden Fall gut, weil das die bedrückende Stimmung unterstreichen kann; und du kannst das Medium für Blut freier wählen.
Zum Schluss fällt mir noch ein, dass sich ja mit ordentlich Bewegungsunschärfe auch eine werdende Ohrfeige darstellen lässt – wäre dann was für die Serienbildfunktion. So einen "Testaufbau" durfte ich als kleines Kind tatsächlich mal erleben: meine Tante wollte meiner Mutter nicht glauben, dass sie mich noch nie geohrfeigt hatte. Daraufhin holte meine Mutter aus und gab mir – beinahe – eine Ohrfeige. Ich soll aber einfach weiter gelächelt haben, was dann der "schlagkräftige" Beweis war, dass ich die Folgen von der komischen Handbewegung wirklich nicht kannte.
Viele nachdenkliche Grüße Dominik
P.S. Die schönen und die anderen Dinge, die sich fotografisch umsetzen lassen, liegen in der Tat so nah beieinander, dass sich eine intensive Beschäftigung damit wirklich lohnt. Ich erinnere mich an fotografische Oktoberfest-Streifzüge zwischen Anmut und Abschaum oder meine Lieblingskatze ... wie sie gerade eine Maus filetierte. Fotografie kann alles zeigen, das macht sie so mächtig.
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